Search
Generic filters
Exact matches only

Ein Radjournal von Brügelmann

Stapel Sättel

Wie man sich sattelt, so fährt man

Wie man sich sattelt, so fährt man

Alles über Satteltypen und den passenden Sattel

Brügelmann Blog 3. Dezember 2020 9 min.

Er ist die wichtigste Kontaktstelle zwischen Fahrrad und dir: der Sattel. Wenn hier etwas nicht passt, dann wird jede Fahrt zum absoluten Grauen. Egal ob Zwicken, Scheuern oder ein Taubheitsgefühl in den Gliedmaßen: Der falsche Sattel lässt jeden Spaß beim Radfahren im Keim ersticken. Dabei ist es gar nicht so schwer, den passenden Sattel zu finden. Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen der Sattelhersteller, um dir besonders viel Komfort zu bieten, um dementsprechend auch verschiedene Methoden, um den optimalen Sattel zu finden. Hier erfährst du, wie du deinen Sattel findest.

So wie früher werden Sättel heute kaum noch gebaut. Trotzdem bietet der passende Sattel genau so viel Komfort, wie es der historische Sattel vermuten lässt.

Welche Parameter beim Sattel gibt es?

Form

Alle Sättel sehen sich mehr oder weniger ähnlich, allerdings ist die Form je nach Einsatzgebiet verschieden. Eine Faustregel ist: Je schmaler die Sattelform, desto sportlicher ist der Einsatzzweck. Diese Regel wird allerdings von immer mehr Herstellern aufgeweicht, die inzwischen auch breitere Modelle für den harten Renneinsatz vorsehen. Außerdem sind manche Sättel an den Seiten eher rund oder steigen im hinteren Bereich leicht an, während andere komplett flach sind.

Länge

Für die Länge des Sattels ist vor allem die Sattelnase verantwortlich. Es gibt sogar Sättel, die fast keine Sattelnase haben oder nur eine extrem kurze. Diese Sättel finden meistens beim Triathlon Anwendung, werden allerdings auch am Rennrad immer populärer.

Fahrradsättel
Welcher Sattel die Nase vorn hat, das musst du für dich entscheiden

Breite

Die Breite des Sattels hat sich in den letzten Jahren als wichtige Maßeinheit etabliert. Die meisten Sättel sind zwischen zwölf und 16 Zentimeter breit.

Härte

Fahrradsättel

Die Härte des Sattels hängt vor allem vom verwendeten Material und dessen Stärke ab. Es gibt sogar Sättel, die komplett auf eine Polsterung verzichten, wie der Tune SpeedNeedle Sattel. Eine dickere Polsterung macht einen Sattel nicht automatisch bequemer. Für den Komfort sorgt vor allem das Zusammenspiel aus deiner individuellen Anatomie, deinen Shorts, deiner Position, der Satteleinstellung und der -form. Zu viel Polsterung kann sogar unbequem sein.

Bezugsmaterial

Beim Obermaterial haben sich Bezüge aus synthetischen Materialien durchgesetzt. Aber auch Ledersättel gibt es immer noch. Die Firma Brooks aus England bietet besonders viele Modelle mit Echtleder an. Vorteile von Ledersätteln sind eine lange Haltbarkeit (bei richtiger Pflege), du kannst sie reparieren und sie passen sich an dich an. Allerdings sind Ledersättel in der Regel auch schwerer und sehr feuchtigkeitsanfällig.

Sattelstrebenmaterial

Sattelstapel

Beim Material der Sattelstreben haben sich ziemlich genau vier Materialien etabliert: Stahl, Aluminium, Titan und Carbon. Je nach Material gibt es verschiedene Gewichtsbeschränkungen. Günstige Sättel haben meistens Streben aus Stahl oder Alu. Teurere Sättel haben dann mit Sattelstreben aus Titan oder Carbon einen deutlichen Gewichtsvorteil und können zu mehr Komfort beitragen.

Aussparung

Es gibt Sättel, die in der Mitte eine Art Kanal haben. Die Aussparung soll aber nicht etwa für Gewichtseinsparung sorgen, sondern wesentliche Stellen entlasten und den Druck anders verteilen. Alle Weichteile und der Dammbereich können über solche Aussparungen entlastet werden. Darüber hinaus sorgt der Kanal dafür, dass der Sattel flexen kann. Manche Sättel gibt es mit und ohne Aussparung.

Fahrradsättel Cutout
Ob eine, keine, oder eine kleine Aussparung am Sattel zu finden ist, kann einen wesentlichen Unterschied für das Sitzgefühl machen

Sättel für Männer & Frauen

Der Siegeszug der stupsnasigen Sättel mit kurzer Sattelnase und eher breitem Hinterteil begann mit einem frauenspezifischen Modell, das sich innerhalb kürzester Zeit im männlichen Peloton verbreitete. Trotzdem bieten praktisch alle Firmen Sättel an, die auf die jeweils unterschiedlichen Anatomien von Männern und Frauen zugeschnitten sind. Nur weil das Geschlecht passt, solltest du also nicht davon ausgehen, einen perfekt passenden Sattel zu bekommen. Zu individuell ist dein Körperbau, um grob in eins von zwei Schemata gepresst werden zu können.

Konzepte der Sattelhersteller

Die verschiedenen Hersteller arbeiten mit den grundlegenden Kenngrößen der Sättel und kommen mit unterschiedlichen Konzepten und Herangehensweisen am Ende zu den verschiedensten Ansätzen. Oftmals werden fachkundige Spezialist*innen, wie beispielsweise Physiotherapeut*innen oder Erkenntnisse aus der Biomechanik zu Rate gezogen. Die wichtigsten Konzepte wollen wir dir im Folgenden vorstellen.

SQlab

Auf die Größe kommt es an! Das behauptet SQlab und bezieht sich dabei auf alle Kontaktstellen zwischen Mensch und Fahrrad. SQlab hat als erster Hersteller ein System zur Vermessung der Sitzknochen entwickelt und gilt deswegen heute zurecht als Pionier auf dem Sattelmarkt im Hinblick auf Ergonomie und Schmerzfreiheit. Wie das System funktioniert, erfährst du im Abschnitt „Wie findest du deinen Sattel“. Nach der Messung kannst du mithilfe der Bestimmung deiner Sitzposition die optimale Breite für deinen Sattel ermitteln.

Fahrrad Sattel SQLab
Sättel von SQlab haben eine große Fangemeinde. Die Firma zählt als Pionier beim Bestimmen des Sitzknochenabstands.

Ergon

Im Prinzip nutzt Ergon eine ähnliche Herangehensweise beim Sattel wie SQlab. Die Parameter Sattelbreite und Beckenneigung stehen bei Ergon im Vordergrund. Außerdem verfolgt das Unternehmen den Ansatz des „dynamischen Sitzens“. Dabei wird auf die Druckverteilung während der Bewegung geachtet.

Fahrrad Sattel Ergon
Auch Ergon legt bei ihren Sätteln großen Wert auf die Anatomie der Radfahrer*innen

ISM

Die Marke ISM ist vor allem im Triathlonbereich bekannt – allerdings macht ISM Sättel für alle möglichen Einsatzbereiche und Genres. Einen ISM-Sattel vergisst auf jeden Fall niemand, der schon mal einen gesehen hat. Grund dafür ist die markante, geteilte Sattelnase. Diese soll zu einer großen Entlastung verschiedener Weichteile führen und damit den Komfort maximal erhöhen. Auch auf die Performance soll die Doppelnase eine positive Wirkung haben. Daneben gibt es bei ISM verschiedene Härtegrade. Jeder Sattel besitzt eine genaue Kategorisierung der Härte. Damit lässt sich der Sattel dann genau hier je nach Einsatzbereich im eigenen Vergleichsdiagramm einordnen.  

Fahrrad Sattel ISM
Sättel von ISM sind durch ihre getrennte Sattelnase ganz deutlich zu erkennen. Besonders im Triathlon schwören viele Fahrer*innen auf die Doppelnase.

Brooks

Die Firma Brooks ist vor allem für ihre legendären Ledersättel bekannt. Sie halten bei richtiger Pflege ewig halten, brauchen aber auch regelmäßige Pflege und sind nicht vom ersten Moment an perfekt, weil sie erst eingefahren werden müssen. Auf jeden Fall schwören sehr viele Radler*innen der unterschiedlichsten Genres auf Sättel von Brooks. Seit ein paar Jahren hat Brooks mit dem Cambium auch eine Linie, die auf Echtleder verzichtet. Die Sättel aus der Serie gibt es in verschiedenen Breiten mit und ohne Aussparung.

Fahrrad Sattel Brooks
Ein absoluter Klassiker: Sättel von Brooks kennen wirklich alle) und sehr viele Fahrer*innen schwören auf das Prinzip Echtleder

Wie findest du deinen Sattel?

Nun wissen wir also, dass es ziemlich viele Merkmale gibt, wonach man Sättel unterscheiden kann. Die Frage ist aber nun: Wie findest du deinen passenden Sattel? Die gute Nachricht: Es gibt nicht nur einen Sattel, der zu dir passt, sondern in den meisten Fällen gleich mehrere. Die schlechte Nachricht: Es gibt so viele Modelle, dass deine Suche in der Tat etwas dauern kann. Zusätzlich spielt auch die Hose, die du trägst, eine Rolle. Nicht jede Hose harmoniert mit jedem Sattel. Die Pro SL Bibshorts von Endura beispielsweise tragen diesem Umstand Rechnung und werden deswegen mit verschiedenen Padbreiten angeboten.

Um eine passende Pappe zur Vermessung deines Sitzknochenabstands zu finden, musst du nur mal am Altpapiercontainer vorbeigehen

Ganz wesentlich bei der Auswahl des richtigen Sattels ist die Breite deiner Sitzknochen. Den Sitzknochenabstand kannst du relativ einfach selber ermitteln, indem du dich mit einer dünnen Unterhose – oder noch besser nackt – auf eine Wellpappe setzt. Diese sollte auf einer harten Unterlage positioniert sein, etwa einem Holzstuhl ohne Auflage. Um den Abdruck zu verstärken, kannst du deine Hacken nach oben ziehen, Druck auf deine Zehen geben und dazu noch den Rücken gerade machen. Im Anschluss hast du zwei runde Abdrücke auf der Pappe. Nimm einen Stift und zeichne sie nach. Nun kannst du mit einem Lineal deinen Sitzknochenabstand von der Mitte des einen, bis zur Mitte des anderen Kreises messen. Mit diesem Wert hast du bereits einen guten Anhaltspunkt, wie breit dein Sattel sein sollte. Manche Firmen bieten zwei verschiedene Breiten an, manche fünf. Es lohnt sich in jedem Fall, wenn du dich jeweils mit der speziellen Fittingphilosophie einer Firma vertraut machst, anstatt ins Blaue hinein zu kaufen.

Wellpappe
Die Pappe muss dann auf einem harten Untergrund, wie zum Beispiel Holz, platziert werden

Der Einsatzbereich, für den du deinen neuen Sattel vorsiehst, sowie dein Budget sind weitere entscheidende Auswahlkriterien. Ein Ultraleichtsattel mit einer maximalen Tragfähigkeit von 90 Kilogramm ist mit Sicherheit gut für den Renneinsatz, aber vermutlich nicht optimal bei einer mehrtägigen Bikepacking-Tour. Die Polsterung wird wichtig, wenn dich der Sattel auch abseits des Asphalts glücklich machen soll. Außerdem sei natürlich gesagt, dass der teuerste Sattel nicht der beste für deinen Popo sein muss.

Vermessung Sitzknochen Wellpappe Lineal
Nach dem Draufsetzen kannst du zwei runde, eingedrückte Stellen markieren und im Anschluss ausmessen. Dann hast du schon deinen Sitzknochenabstand ermittelt.

Womit wir zum wichtigsten Hinweis zum Thema „passender Sattel“ kommen: Probieren geht über studieren, oder wie man in anderen Ländern sagt: trial and error. Denn ob ein Sattel wirklich passt oder nicht musst du eben am eigenen Leib erfahren. Dazu reicht auch nicht die kurze Runde um den Häuserblock. Manchmal kann sich der Allerwerteste noch umentscheiden, obwohl der erste Eindruck nicht der beste ist. Andersherum kann es dann nach ein paar Kilometern doch noch mit Zwicken anfangen. Die Sattelposition, inklusive Höhe, Neigung und in der Waagerechten, kann dir auch dabei helfen, einen passenden Sattel noch besser zu machen. Wichtig bei dem gesamten Prozess ist, immer nur einen einzigen Faktor zu verändern. Wenn du beispielsweise den Sattel wechselst, dann schieb ihn nicht auch gleichzeitig ein paar Zentimeter nach vorne oder ändere die Neigung. Gib deinem Körper jeweils Zeit, sich an Änderungen zu gewöhnen und beobachte aufmerksam, was gut für dich ist.

Fahrradsattel WTB
Manchmal ist das alles aber auch gar nicht nötig und der mitgelieferte Sattel passt schon gut wie hier das WTB-Modell beim Kona Rove. Um ihn perfekt anzupassen, kannst du alle Parameter noch einstellen.

Selbst nach einem ganzen Tag im Sattel solltest du weder Schmerzen noch wunde Stellen haben. Den dafür richtigen Sattel zu finden ist nicht ganz leicht, aber mit den verschiedenen Expertisen und Herangehensweisen der Hersteller kannst du strukturiert danach suchen. Die Einstellung des Sattels kann dir noch dazu bei der Optimierung helfen. Außerdem hat die Fahrradhose einen wesentlichen Einfluss darauf, wie sich der Sattel anfühlt. Am Ende sind es also verschiedene Faktoren, die dich schmerzfrei im Sattel sitzen und dich wunderbare Stunden im Sattel erleben lassen.