Erinnerst du dich noch an das Jahr 2016? Damals boten nur wenige Nischenhersteller in den USA Gravelbikes an. In Deutschland wusste noch niemand so recht, was „Gravel“ eigentlich bedeuten soll. Schließlich gab es ja Cyclocross-Rennen und asphaltierte Straßen in Hülle und Fülle! In diese Stimmung hinein platzte Votec mit dem VRX, dem ersten Gravelbike einer deutschen Firma. Auch wenn zu Beginn erst mal geklärt werden musste, wozu diese Mischung aus MTB, Crosser und Endurance-Rennrad eigentlich gut sein sollte, kam sie gut an. Das Rad konnte einiges auf Schotter, war flott genug auf der Straße und bot ein durchdachtes Paket aus Geometrie und Anbauteilen zu einem überaus fairen Preis-Leistungs-Verhältnis.
Fünf Jahre später muss das Gravelbike nicht mehr erklärt werden. Es steht in den verschiedensten Ausprägungen an jeder Ecke. Da gibt es Mountainbikes, an die scheinbar versehentlich ein Rennlenker geschraubt wurde, Tourenräder mit Stollenreifen oder Rennboliden, zwischen deren aerodynamisch optimierte Rohre etwas breitere Reifen passen. Wenn Votec eine Neuauflage seines Gravelbikes ankündigt, steht niemand mehr mit fragendem Gesichtsausdruck herum.
Evo- statt Revolution
Ein erster Blick zeigt: Der Look des Rades hat sich geändert. An die Stelle von Taubenblau und Rot treten „Brazilian Yellow“, „Warwickshire Green“ und das gute alte Terrorschwarz. Unter der Haube ist der Umbau etwas weniger offensichtlich – und das ist auch gut so. Denn das ursprüngliche Modell war schon ein absoluter Volltreffer und seiner Zeit sehr weit voraus. Nach dem Erscheinen dieses Rades widmete sich die Entwicklungsabteilung im Stuttgarter Hauptquartier vornehmlich anderen Projekten wie dem neuen Votec VRC.
Dessen Gabel ähnelt nicht von ungefähr der neuen Gabel am VRX. Die neue ist geradliniger im Look und kommt mit 12 mm-Steckachse und Platz für 42 Millimeter breite Reifen. Etwas mehr Komfort verspricht die Kombination aus Form und Carbonlayup auch. Die Möglichkeit, mit einer neuen Gabel die Geometrie des Rades in Richtung MTB zu verschieben (Flacher! Länger!), blieb links liegen. Wer zwei Zoll breite Reifen benötigt, um auf seinen Lieblingsstrecken voranzukommen, ist in der Denkweise der Stuttgarter mit einem MTB besser bedient. Das VRX soll flott Strecke machen können, nicht mit Ballonreifen über verblockte Trails geprügelt werden.
Auch die Teile können jetzt Gravel
2016 sah es mit gravelspezifischen Anbauteilen noch eher mau aus. Inzwischen gibt es eine in der Hinsicht eine breite Auswahl, aus der nur Markenteile verbaut wurden. Angesichts des Verkaufspreises ist das eine echte Ansage. Schaltung und Bremsen kommen aus der Shimano-GRX-Familie, schottergerecht findest du vorne nur ein Kettenblatt. Der Rahmen verleugnet seine Rennradgene nicht und so kannst du einen Umwerfer nachrüsten. Nur die Heldenkurbel passt nicht, maximal passen 52/36-Kettenblätter an den Kettenstreben vorbei.
Der Schuster bleibt bei seinen Leisten
Ansonsten hat sich wenig verändert. Der Rahmen setzt weiter auf eine sehr entspannte Geometrie mit hohem Stack, aber gleichzeitig eher kurzem Radstand. So sitzt du vergleichsweise aufrecht, kommst aber flott um Kurven herum. Auch die maximale Reifenfreiheit wurde bei 42 Millimetern belassen. Nicht beim Wettrennen um mehr Reifenfreiheit mitzumachen, sondern die Identität des VRX zu bewahren, war eine sehr bewusste Entscheidung. Fettes Gummi hat ohne Zweifel seine Berechtigung für manche Gravelbikes, nur ist das VRX eben nicht dafür gedacht, drei Wochen lang durch die Wildnis zu bikepacken oder auf Singletrails MTBs das Fürchten zu lehren. So bleibt es das etwas geländegängigere Pendant zum VRC: Im Kern unverkennbar ein Rennrad, kann es seine Stärken im leichten Gelände voll ausspielen und macht auch flowige Singletrails mit. Es ist das perfekte Rad für die flotte Feierabendrunde über Waldwege oder lange Touren am Wochenende, in denen Schotter die Hauptrolle spielt.
Ein flottes Gravelbike mit komfortabler Sitzposition und wertiger Ausstattung zu einem überaus fairen Kurs – das Votec VRX geht auch im Jahr 2021 gut ab. Schön, dass es wieder da ist!