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Ein Radjournal von Brügelmann

Triathlon Gravelbike Votec VRX Wechselzone

Auf Abwegen – Ein Gravelbike beim Triathlon

Auf Abwegen – Ein Gravelbike beim Triathlon

Fette Reifen und Multisport – passt das zusammen?

Brügelmann Blog 1. Juli 2021 6 min.

Du kannst dir einfach nicht für jede Gelegenheit das passende Rad gönnen. Der Fahrradkeller ist dafür nicht groß genug und in letzter Zeit ist auch die eher durchwachsene Verfügbarkeit von neuen Fahrrädern zur Herausforderung geworden. Kreativität ist also gefragt! Gravelbikes gelten als perfekte Allrounder. Geht ihre Vielseitigkeit so weit, dass du damit auch einen Triathlon absolvieren kannst? Wir haben in der Vergangenheit geforscht und jemanden gefunden, der mit seinem VOTEC VRX die Kurzdistanz (1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren, 10 Kilometer Laufen) beim Leipziger Triathlon in Angriff genommen hat. Hier ist sein Erfahrungsbericht.

Triathlon Gravelbike Votec VRX
Anreise mit Bahn, Rad und Rucksack ist beim Triathlon eher unüblich

Ein Triathlon besteht aus Schwimmen, Radfahren und Laufen. Dazu kommt die heimliche vierte Disziplin: das Wechseln . Einen Triathlon gewinnst oder verlierst du zwar beim Laufen – so heißt es – aber die längste Zeit sitzt du in der Regel auf dem Rad. Dementsprechend wichtig ist es, dass du auf diesem dort zum einen bequem, aber auf jeden Fall auch aerodynamisch sitzt. Ein Gravelbike wie das VOTEC VRX kann eine Menge, aber aerodynamisch sitzt du auf ihm eher nicht. Trotzdem wollte ich wissen, wie genau es sich bei einem Triathlon damit fahren lässt und vor allem, ob es möglich ist, mit einem Gravelbike vorne mitzufahren.

Triathlon Gravelbike Votec VRX
Keine anderen Gravelbikes in Sicht. Na und?

Bereits die Anreise aus einem östlichen Teil der Stadt Leipzig an den im Westen gelegenen „Kulki“ (dem Kulkwitzer See), vollzog ich selbstbewusst mit dem Gravelbike. Auf dem Weg sah ich dann auch schon andere Athlet*innen mit ihren Renn- und Zeitfahrrädern. Ein wenig mulmig wurde mir dann doch, je näher ich dem Veranstaltungsort kam. Hatte ich mir das auch gut überlegt? Bei der Ankunft gab es dann das gewohnte Bild aus blitzenden und teuren Rädern mit sämtlichem kostspieligen Zubehör wie Aero-Trinkflaschen, Aero-Helmen und ab und zu auch Scheibenräder. Meine Motivation sank, je mehr ich mich umsah.

Triathlon Wechselzone
Zum Glück kein Neo-Verbot

Immerhin sah ich beim Check-In auch noch zwei andere Fahrräder mit breiteren Reifen, wenn auch keine Gravelbikes. Außerdem stimmte mich zuversichtlich, dass es kein Verbot von Neoprenanzügen gab. Somit konnte ich meine schlechteste Disziplin mit ein wenig Hilfe etwas schneller meistern. Ich ging nochmal eine Runde im Wechselgarten umher, aber es blieb dabei: kein anderes Gravelbike in Sicht. Dann musste ich schon die Badekappe aufsetzen und zum Start eilen.

Triathlon Wechselzone
Meine Schwimmzeit war leider nicht mal Mittelmaß

Das Schwimmen lief wie erwartet: langwierig und anstrengend. Die 1,5 Kilometer hatte ich – wie so oft – unterschätzt, aber nach knapp 33 Minuten verließ ich das Wasser und nach knapp drei Minuten den Wechselgarten. Ich schwang mich aufs Rad und hatte Bock, ordentlich in die Pedale zu treten. Ein Blick auf die Pulsuhr bremste mich aber dann: Die Zahl 180 machte mir doch ein wenig Sorgen. Aber da ich bereits die ersten auf ihren Rennrädern überholt hatte, versuchte ich meine Beine und meine Triebkraft damit zu beruhigen und nach unten zu regulieren. Nach insgesamt zehn Kilometern gelang mir dies endlich und zum ersten Mal fiel mein Puls unterhalb von 170 Schläge pro Minute. Trotzdem überholte ich auch weiterhin jede Menge Fahrer*innen. Der Tacho zeigte eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 34,5 Kilometern pro Stunde an, womit ich schon zufrieden war. Trotzdem wollte ich es aber nochmal wissen. In der gesamten Zeit fuhr ich etwa gleich auf (natürlich immer mit genügend Abstand wegen des Windschattenverbots) mit einem Triathlonrad und dessen Fahrer. In der letzten Runde wollte ich ihn mir aber dann schnappen.

Triathlon Wechselzone
Der Lauf zur Rad-Startlinie war auch eher holprig

Ich harrte noch kurz hinter ihm aus, um nach einer relativ spitzen Kehre dann anzugreifen. Er hatte mich natürlich schon seit einiger Zeit immer mal wieder beim Umschauen gesehen. Einmal hatte er sogar versucht mich abzuschütteln, was ihm allerdings nur kurz gelang. Ich gab alles und zog an dem Triathleten mit seiner Zeitfahrmaschine vorbei. Den Blick, den ich dabei von ihm erntete, vergesse ich so schnell nicht. Die Ungläubigkeit, vielleicht sogar Fassungslosigkeit, war klar in seinem Gesicht abzulesen. Ich scherte vor ihm mit der Erwartung ein, dass er sofort einen Gegenangriff starten würde, doch es geschah nichts.

Triathlon Wechselzone
Nach dem Einklicken ging es richtig los!

Er blieb aber dran und fünf Kilometer, bevor die letzte Runde und damit das Radfahren zu Ende war, spürte ich rechts neben mir ein freches Grinsen. Als Nächstes vernahm ich die Worte: „Von einem Crosser überholt zu werden, ist echt eine Schmach!“ Ich pflichtete ihm bei und ließ ihn an mir vorbeiziehen. Den gewünschten Respekt hatte ich mir zumindest bei ihm verdient. So konnte ich nach 42 Kilometern und einer Zeit von ziemlich genau einer Stunde und elf Minuten gut gelaunt vom Rad steigen und auf die Laufstrecke stürmen. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 35,5 Kilometern pro Stunde und einer Verbesserung um 136 Plätze nach dem Verlassen des Wassers, konnte ich mehr als zufrieden sein.

Triathlon Leipzig
Mit meinem Kontrahenten lief ich anfangs noch gleich auf …

Nun musste ich hoffen, auf dem Rad noch nicht zu viele Körner verschossen zu haben, immerhin sollte ich noch zehn Kilometer laufen. Zu meiner Freude verließ ich fast zeitgleich mit meinem Radkontrahenten den Wechselgarten und schwor mir, zumindest beim Laufen schneller zu sein. Einfach würde das nicht werden. Nicht nur, dass der andere ein gutes Tempo vorlegte, bei mir machte sich ebenfalls ein starkes Seitenstechen im rechten Bauchbereich bemerkbar, welches ich erst einmal wegatmen musste. Zum Glück gelang mir dies Atemzug um Atemzug. Aber noch etwas geschah: Ich überholte meinen Rivalen und das relativ locker, jedenfalls gemessen an unserer beider Gesichtsausdrücken.

… dann konnte ich ihn aber abschütteln und noch wichtiger …

Ich war so gut in Fahrt, beziehungsweise im Lauf, dass ich ihm sogar zurufen konnte „Dieses Mal bleib ich aber vorn!“ Darauf lächelte er kurz, wenn auch nur müde. Bei mir hingegen lief es immer besser und als ich dann beim Blick auf die Uhr eine Pace von 4:40 pro Kilometer las, wusste ich: Da geht noch mehr! Also habe ich es die letzten drei Kilometer noch einmal ordentlich krachen lassen und kam nach einem Schlusssprint, der eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre, nach genau zwei Stunden, 33 Minuten und 26 Sekunden glücklich ins Ziel. Mein heimliches Ziel verfehlte ich zwar damit um knapp vier Minuten, Platz 174 von 440 Finisher*innen insgesamt ließ dennoch genügend Anlass zur Freude, besonders bei meiner mangelhaften Schwimmleistung.

Leipzig Triathlon Ziel
… kam vor ihm ins Ziel.

Mit einem Gravelbike und breiten Reifen ist es definitiv möglich, einen Triathlon zu bestreiten und dabei nicht als letzte*r vom Rad zu steigen. Wäre ich mit einem Triathlonrad nicht viel schneller gewesen? Schneller in jedem Fall – viel schneller wohl kaum. Gerade bei kürzeren Distanzen und Rundkursen mit vielen Kurven spielt die Aerodynamik eine kleinere Rolle, so mein Fazit. Das Gefühl dagegen, mit einem unterlegenen Rad andere, besser ausgestattete Athlet*innen zu überholen ist – das muss ich mit leichter Schadenfreude zugeben – einzigartig. Insofern gilt für mich auch weiterhin die Maxime: Die Maschine sitzt auf dem Rad. Bei einer Langdistanz würde ich trotzdem auf ein Zeitfahrrad nicht verzichten wollen.

Triathlon Verpflegung
Nach dem Rennen haben wir dann angestoßen, ich und mein „Rivale“, erst nur mit Wasser. Spaß hatten wir trotzdem beide.