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Ein Radjournal von Brügelmann

Cannondale Topstone Lefty

Test: Cannondale Topstone Carbon 2 Lefty

Test: Cannondale Topstone Carbon 2 Lefty

Du brauchst eine Federung am Gravelbike, du weißt es nur noch nicht

Brügelmann Blog 11. August 2022 10 min.

Wenn du dieses Fahrrad aus dem Karton hebst, ist sofort klar: Das Cannondale Topstone mit Lefty ist etwas ganz Besonderes. Ich bin tatsächlich auf jeder einzelnen meiner Touren mit diesem Rad auf das ungewöhnliche Aussehen angesprochen worden. Aber was bringt der Look beim Fahren? Dafür habe ich das Rad ein paar Tage durch die Alpen bewegt und auch diverse Touren im sandigen Flachland eingestreut. Außerdem habe ich mich mit Nina Baum unterhalten, die als Produktmanagerin bei Cannondale nicht unwesentlichen Anteil daran hatte, dass dieses Fahrrad so unglaublichen Spaß macht.

Cannondale Topstone Lefty
Ungewohnt für einen Roadie, die Gabel auf den korrekten Luftdruck abzustimmen. Aber es zahlt sich so dermaßen aus!

Das Topstone – ein Rowdy-Rennrad?

Doch zuerst sei die Frage gestattet: Was ist dieses Fahrrad überhaupt? Im Post zum Launch hatten wir es als „Rennrad auf Steroiden“ bezeichnet. Das Marketing-Material von Cannondale zeigt um Kurven driftende Reifen, Fahrerinnen ohne Bodenkontakt oder auf Felsformationen, die auch mit einem MTB knifflig zu bewältigen wären. Ist das Topstone einfach nur ein Rowdy-Rennrad? Weit gefehlt, so Nina: „Wir wollten nie ein Mountainbike mit Rennlenker bauen. Aber viele Roadies fühlen sich abseits des Asphalts zuerst nicht so wohl, denen macht der Untergrund Angst. Mit dem Topstone mit KingPin und der Lefty fühlen sich Schotterstraßen fast so an wie Asphalt.“

Cannondale Topstone Lefty Gravelbike
Gaaaaaaanz vorsichtig traut sich der Roadie auf unbefestigte Wege

Das kann ich in vollem Umfang bestätigen. Es tut weh zuzugeben, aber teilweise finde ich mich in Ninas Einschätzung wieder, dass viele Roadies Angst vor losem Untergrund haben. Meine Touren führen mich zwar auch immer wieder über fragwürdige Singletrails, vor allem befahre ich mit dem Gravelbike aber mal mehr, mal weniger gepflegte Forststraßen und Wanderwege. Das Unbehagen abseits des Asphalts war mit dem Topstone allerdings nach kurzer Zeit völlig verschwunden. Es macht aus Schotter keinen Flüsterasphalt, aber bringt enorme Ruhe in das Fahrgefühl und gibt Kontrolle.

Behutsam progressive Geometrie

Dafür macht Nina teilweise die Geometrie verantwortlich. Cannondale hat bereits 2016 als eine der allerersten Marken ihre Cyclocross-Räder mit Anleihen aus dem Mountainbike-Bereich aufgewertet. Das Topstone geht in der Hinsicht einen kleinen Schritt weiter und bietet einen flacheren Steuerwinkel, längere Kettenstreben und einen längeren Radstand. Nicht zu vergessen: Das Topstone ist natürlich auch deutlich kürzer und höher als ein auf puren Speed getrimmtes CX-Rad. Ich sitze mit meinen 1,88 Metern auf Größe L so kurz und aufrecht, dass ich mir an meinem Testrad einen längeren Vorbau gewünscht hätte, um wenigstens in die Nähe meiner gewohnten Rennradposition zu kommen. Ein bisschen Spielraum wäre mit einem weiter gekürzten Gabelschaft gewesen, aber selbst dann wäre das Rad immer noch gemütlich.

Cannondale Topstone Lefty Tretlager
Tiefer und mit Gewinde: Das Tretlager ist in jeder Hinsicht stabiler geworden

Im Vergleich zum ersten Topstone wurde auch ein wenig an der Geometrie geschraubt. Inzwischen ist relativ klar, dass 700c sich im Gravelbereich (wie auch schon bei den Mountainbikes) durchsetzen wird, also konnte das Tretlager auf 40 – 45 Millimeter breite Reifen auf 28“-Felgen optimiert und etwas tiefer gelegt werden. Das sorgt für noch mehr Stabilität während der Fahrt. Wo das Tretlager sowieso schon angefasst wurde, hat es wie das neue Synapse auch ein geschraubtes BSA-Tretlager verpasst bekommen. Hurra!

Federung gegen die Skepsis

Die Federung ist tatsächlich das Herzstück des Rades. Nina fragt sich, wieso die Rennradwelt nicht etwas offener mit diesem Thema umgeht: „Fast alle Fahrzeuge haben irgendeine Art von Federung, Autos und Motorräder gibt es nicht ohne, und sogar manche Kinderwägen sind gefedert. Die Mountainbike-Welt ist ohne Federung nicht mehr vorzustellen, nur die Roadies denken, dass sie ohne auskommen. Aber das Topstone zeigt, wie viel Spaß man auf einem gefederten Fahrrad haben kann.“ Dabei ist die Federung am Topstone nur am Vorderrad als solche zu erkennen. Die Lefty ist eine komplette Neuentwickung fürs Graveln mit 30 mm Federweg ohne den bei MTB-Gabeln üblichen Sag. Hinten arbeitet KingPin weitestgehend unsichtbar, nur der Drehpunkt am Sattelrohr ist zu erkennen. Diese Rahmenkonstruktion macht den gesamten Hinterbau zu einer Blattfeder und erlaubt durch den Drehpunkt deutlich mehr Flex. Am Sattel sind das bis zu 30 Millimeter „Federweg“, wobei der größte Teil auf den Sattelstützenflex entfällt. Nina vergleicht die Wirkung von KingPin mit einem Reifen, der ca. neun Millimeter breiter ist – nur dass KingPin anders als fettere Reifen praktisch kein Zusatzgewicht mit sich bringt.

Cannondale Topstone Lefty Kingpin
Im Drehpunkt des KingPin-Systems wurden die Kugellager durch Gleitlager ersetzt, was Gewicht spart und weiterhin praktisch wartungsfrei funktioniert

KingPin & Lefty im echten Leben

Man kann es nicht wirklich einschätzen, ohne selber auf einem Topstone mit Lefty gesessen zu haben, aber das Fahrgefühl ist spektakulär. Die Lefty reagiert feinfühlig auf Unebenheiten und sorgt so nicht nur für Komfort, sondern vor allem für Kontrolle. Auch in schnellen Kurven auf losem Untergrund hatte ich immer Bodenkontakt und dadurch ein viel besseres Gefühl dafür, wann der Reifen abzuschmieren drohte. In Abfahrten sind plötzlich auftauchende Wurzeln oder Furchen nichts mehr, was mich aus der Bahn wirft – das Rad rollt einfach über sie hinweg. Hinten verrichtet die KingPin-Federung sehr unauffällig ihren Job. Sie nimmt groben Schlägen den Biss und dämpft zusammen mit den breiten Reifen das ständige Geschüttel nicht-asphaltierter Wege. Nach sechs Stunden im Sattel bin ich tatsächlich noch relativ frisch!

Den wahren Wert zeigt mir KingPin an einem fies steilen Stich auf Schotter, wo ich deutlich länger Traktion habe und deswegen erst viel später schieben muss als meine deutlich fittere Mitfahrerin auf ihrem ungefederten Rad. Federung ist also nicht nur ein Komfortthema, sondern führt auch zu besserer Performance. Der Hagel an Bestleistungen auf den (zugegeben zahmen) Singletrails, die ich zu Testzwecken mit dem Topstone abgefahren bin, bestätigt das.

Cannondale Topstone Lefty
Ein kleiner Hubbel für Mountainbikes, ein großer Absatz für einen Roadie: Das Topstone rollt über solche Hindernisse einfach drüber

Wirklich beeindruckend wird das Rad aber auf Abfahrten. Sobald es bergab geht, verlerne ich grundsätzlich Fahrrad fahren. Es spielt dabei keine Rolle ob Alpe d’Huez oder Hacklbergtrail, ich habe einfach wenig Übung und bin wahrscheinlich auch zu zimperlich. Als ich mich mit dem Topstone angefreundet hatte, änderte sich das und ich konnte mich plötzlich in Abfahrten schmeißen wie noch nie. Das Fahrwerk vermittelt so eine Sicherheit, dass es sich plötzlich völlig selbstverständlich anfühlte, mit 50 km/h unbekannte Schotterwege runterzuknallen oder Kurven am Rand der Traktionsgrenze zu nehmen.

Das Mehrgewicht von rund einem Kilo für die Federung habe ich zu keinem Zeitpunkt negativ bemerkt. Auch musste ich den Lockout für die Gabel nur äußerst selten benutzen. Nur bei Sprints im Stehen auf Asphalt wippt sie ein wenig, ansonsten kann man sie getrost offen lassen, korrekte Abstimmung natürlich vorausgesetzt.

Absenken oder nicht?

Im Gegensatz zu der Federung, die ich sofort bedingungslos lieben lernte, bin ich mit der absenkbaren Sattelstütze nicht richtig warm geworden. Das dürfte am Terrain gelegen haben, denn ich war schlicht und ergreifend nicht auf Trails unterwegs, auf denen selbst ein Roadie wie ich den Sattel aus dem Weg haben möchte. Nina selber schätzt die Dropper Post an ihrem Topstone und findet sie fast wichtiger als die Federgabel. Aber auch sie gibt zu, dass man sie nicht überall braucht: „Die Dropper Post bringt eine Menge, aber sie kann ihre Vorteile nur dann ausspielen, wenn das Terrain sehr steil oder besonders ruppig ist oder die Route viele enge Kurven hat.“ Sie bestätigt auch, dass eine Dropper Post nicht wie eine gewöhnliche Sattelstütze aus Carbon flext und deswegen einen Teil des Effekts des KingPin-Systems wegnimmt. Außerdem bringt sie einen weiteren spannenden Punkt ins Spiel: Je kürzer deine Beine im Vergleich zum Oberkörper sind, desto mehr bist du darauf angewiesen, den Sattel absenken zu können, um frei dein Gewicht verlagern zu können.

Cannondale Topstone Lefty Dropper Post
Für meine Touren nicht zwingend notwendig, für ernsthaftes Underbiking fast schon Pflicht: die absenkbare Sattelstütze

Du musst also für dich abwägen, ob sich eine Dropper Post für deine Fahrweise und die Wege in deiner Umgebung lohnt. Je näher du mit deinem Topstone an den Einsatzbereich eines Mountainbikes herankommst, desto wahrscheinlicher wirst du diese Frage mit einem enthusiastischen „Hell Yeah“ beantworten.

Cannondale Topstone Lefty Dropper Post Hebel
Der Hebel für die Dropper Post sieht störender aus, als er ist. Im normalen Betrieb fällt er nicht auf und bietet sogar mehr Stabilität, wenn man in den Drops fährt.

Ein Rad für Underbiking?

Ein Rennrad mit Federgabel, Dropper Post und 44 mm breiten Reifen schreit förmlich danach, auch mal Ausflüge ins MTB-Territorium zu unternehmen. Bist du es leid, auf deinen Haustrails mit dem Fully quasi schlafwandelnd alles glattzubügeln? Mit dem Topstone wirst auch auf Trails, die du wie deine Westentasche kennst, neue Lines kennenlernen. Nina bekommt leuchtende Augen, wenn sie von einem ihrer Underbiking-Experimente erzählt. Als erfahrene Cross-Country-Rennfahrerin hatte sie schon viele Male das Sea Otter Classic bestritten, mal auf einem Hardtail, mal voll gefedert. 2022 wurde auf dem gleichen Kurs ein Gravelrennen angeboten, das sie in vollen Zügen genossen hat: „Wir sind fast zur gleichen wie das MTB-Rennen gestartet und alle auf Mountainbikes waren viel schneller. Die hatten niedrigere Gänge, um die wirklich steilen Stücke hochzukurbeln und konnten die ruckeligen, sandigen Downhills mit vielen Kurven deutlich schneller nehmen. Auf meinem Topstone war ich zwar auch recht flott, aber ich hatte vor allem so unglaublich viel Spaß. Es fühlte sich eher so an, als wäre ich im Bikepark auf einem Double Black Diamond Trail!“

Cannondale Topstone Lefty
Waldautobahnen wie diese frisst das Topstone zum Frühstück

Auch ihre Hometrails in Connecticut mit vielen Steinen und Wurzeln würzt sie durch strategischen Einsatz von Underbiking auf dem Topstone: „Wenn ich auf den technischen Teilen einer Tour schnell sein möchte, dann nehme ich mein Scalpel und bin dadurch auf den technisch nicht so anspruchsvollen Passagen langsamer. Wenn ich viele verschiedene Arten von Wegen kombinieren möchte, nehme ich das Topstone und wenn ich nicht genau weiß, was ich will, nehme ich auf jeden Fall das Topstone.“ Underbiking ist sicher nichts Neues, aber mit diesem Topstone erweitert sich der Spielraum noch einmal ganz beträchtlich!

Bikepackingfaktor fast am Anschlag

Man würde meinen, dass ein Fahrrad, das mit so unterschiedlichem Terrain klarkommt, perfekt fürs Bikepacking wäre. Mit ein paar Einschränkungen würde ich das auch unterschreiben. Die relativ gemütliche Sitzposition ist perfekt für lange Touren, der breite Lenker (46 Zentimeter ohne den Flare!) bietet massig Platz für die Lenkertasche und auf dem Oberrohr und unter dem Tretlager sind Gewinde für Taschen bzw. einen dritten Flaschenhalter. An der Gabel fallen die Ösen, die an den Modellen mit Starrgabel zu finden sind, logischerweise weg.

Suboptimal hingegen ist das vordere Rahmendreieck, das dank leicht abfallendem Oberrohr und hoch angesetztem Unterrohr eher wenig Platz für eine Rahmentasche lässt. Das fällt besonders bei kleineren Rahmengrößen ins Gewicht. Die größte Einschränkung ist allerdings die Dropper Post, die für die du eine spezielle Satteltasche brauchst.

Cannondale Topstone Lefty Oberrohr
Auf dem Oberrohr kannst du deine liebste Snack-Tasche anschrauben

Kein Gravelbike nur fürs Grobe

Meine Zeit mit dem Topstone hat klargemacht: Dieses Fahrrad fühlt sich nicht nur auf Mountainbike-Terrain wohl. Natürlich verschieben die Federgabel, die KingPin-Federung und die breiten Reifen den möglichen Einsatzzweck weiter Richtung anspruchsvolles Gelände, aber sie gestalten auch längere Touren auf vergleichsweise zahmen Wegen wunderbar komfortabel. Das macht es nicht zu einem gemütlichen Tourenrad, tatsächlich benutzen viele von Cannondale unterstützte Athlet*innen das Topstone für längere Gravelrennen. In jedem Fall lädt die Federung des Rades dazu ein, Schabernack am Wegesrand mitzunehmen, was mit normalen Gravelbikes nicht so möglich wäre. Trotz Federung und dem im Vergleich zu einem Rennrad recht hohem Gewicht bleibt das Rad immer agil und schreit förmlich danach, durch Bäche zu fahren, sich in Steilkurven zu werfen oder auch mal kleinere Absätze mitzunehmen. Und das Beste: Alles fühlt sich mit diesem Rad einfach an!

Cannondale Topstone Lefty
Dieses Bild fasst ganz gut zusammen, wie sich das Topstone mit Lefty allgemein anfühlt

Singletrails, Forstwege, Asphalt: Das Topstone mit Lefty macht alles mit und sorgt dafür, dass du immer ein fettes Grinsen im Gesicht hast. Die ultimative Spaßmaschine auf zwei Rädern, egal wie lang die Tour ist!

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