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Ein Radjournal von Brügelmann

Brooks Cambium C15 Carved Rückteil

Test: Brooks Cambium C15 Carved Sattel

Test: Brooks Cambium C15 Carved Sattel

Legendärer Komfort auch für sportliche Fahrräder

Brügelmann Blog 20. Mai 2021 5 min.

Wenn du beim Radfahren so sitzen möchtest wie in einem Ohrensessel, bist du über kurz oder lang höchstwahrscheinlich bei einem Ledersattel von Brooks angekommen. Die in Großbritannien handgefertigten Klassiker aus Leder schmiegen sich jeder Anatomie an und sorgen so für maximal bequemes Sitzen. Das wird noch durch die einzigartige Konstruktion ergänzt, bei der das Leder in den Sattelstreben „hängt“ wie eine Hängematte. Auf diese Art werden Straßenunebenheiten und kleine Schläge noch zusätzlich abgemildert. Die unerhört bequemen Sättel waren allerdings lange Zeit nicht auf die Bedürfnisse sportlicherer Ausfahrten zugeschnitten. Sie fanden sich deswegen fast ausschließlich an Reise- oder Trekkingrädern und nur vereinzelt an manchen Randonneuren.

Brooks Cambium C15 Carved
Ein Sattel von Brooks braucht natürlich Nieten

Die Qual der Auswahl

Mit den Cambium-Modellen hat die britische Firma allerdings seit ein paar Jahren eine Serie im Programm, die diese Lücke schließt. Je kleiner die Zahl im Modellnamen, desto aggressiver die Sitzposition – dementsprechend sind C19 und C17 eher für gemütliche Tagestouren und der C13 (nicht zuletzt wegen seines Carbongestells) für Renneinsätze optimiert. Der C15 nimmt mit 140 Millimetern Breite eine Zwischenposition ein und wird von Brooks für eigentlich alles empfohlen: Stadtfahrten, Bikepacking und Rennradtouren. Die Version mit Aussparung ist an meinem Stadtflitzer gelandet, einem Stahlrahmen mit wild gemischten Anbauteilen aus der Restekiste. Das Rad ist nicht besonders elegant, aber dafür umso zuverlässiger. Da es praktisch jeden Tag bewegt wird, sieht es gerade in den Wintermonaten eine Menge schlechtes Wetter (und zu meiner Schande relativ wenig Pflege). Unterm Strich ist es das perfekte Testrad für den C15.

Die Cambium-Familie

Brooks Cambium C15 Carved am Stadtrad
Gerade Linien, schlanke Rohre: In diesem Umfeld fühlt sich der Brooks Cambium C15 zu Hause

Unboxing & Anbau

Beim Auspacken fällt zuerst das für Brooks ungewohnte Material auf: Die Modelle der Cambium-Serie sind nicht aus Leder, sondern aus vulkanisiertem Naturkautschuk. Das freut nicht nur Veganer*innen, sondern hat für alle handfeste Vorteile. Das regelmäßige Eincremen, das bei den Ledermodellen fällig ist, kannst du dir hier sparen. Dank des Materials perlt Wasser einfach ab, auch nach längerer Einwirkzeit nimmt der Sattel nichts davon auf. Das an der Oberfläche eingearbeitete Nylongewebe spielt dabei sicher auch eine Rolle.

Ebenfalls beim Auspacken nicht zu übersehen ist das nicht unerhebliche Gewicht des Cambium C15. Mit 434 Gramm ist er mindestens doppelt so schwer wie durchschnittliche Rennrad- oder MTB-Sättel. Ein paar hundert Gramm mehr oder weniger sind mir an meinem Stadtrad oder Gravelbike allerdings herzlich egal, weil sie im Verhältnis zu allem anderen sowieso nicht weiter auffallen. Wenn dir das Gewicht deines Rades am Herzen liegt, dann wäre wohl eher der 150 Gramm leichtere C13 etwas für dich.

Brooks Cambium C15 Carved auf Waage
Bequem, aber wahrlich kein Leichtgewicht: 434 Gramm sind eine Ansage

Beim Anbauen macht der Sattel wirklich neugierig auf die erste Fahrt, denn sein Obermaterial ist spürbar flexibler als normale Sättel mit steifer Nylonschale und dünner Schaumstoffpolsterung. Die Oberfläche an sich ist zwar härter (und rauer), aber schon mit sehr geringem Kraftaufwand kann ich die Schale so verbiegen, dass die Kappen der Sattelklemmung über die Streben rutschen und ich die Schrauben festziehen kann. Mit seiner klassischen Form macht er sich sehr gut an dem Stahlrad. Ein moderner Rennradsattel mit kurzer Nase und breitem Hinterteil sähe in Kombination mit den schlanken Stahlrohren wahrscheinlich ziemlich seltsam aus.

Die ersten Meter

Schon auf den ersten Metern spürt man den legendären Brooks-Komfort. Vorher war an dem Rad ein klassischer Rennradsattel mit langer Nase und wenig Polsterung verbaut. Das war sicher nicht die ideale Wahl für ein Fahrrad, das ausschließlich ohne Radhose gefahren wird, aber was anderes gab die Teilekiste halt nicht her. Im Vergleich dazu ist der C15 bequem wie eine Couch und ich spüre tatsächlich, wie er sich beim Fahren verbiegt. Kopfsteinpflaster macht auf 25 Millimeter breiten Reifen immer noch nicht wirklich Spaß, aber es wird durch den Sattel immerhin erträglicher. Der Hängematteneffekt ist tatsächlich spürbar!

Brooks Cambium C15 Carved Unterseite
So sieht das Untergestell aus, das zusammen mit der flexiblen Schale den Hängematteneffekt garantiert

Die Sitzposition in einer Hängematte

Allerdings sind ein paar Experimente mit der Sattelposition notwendig, bis alles perfekt ist. Dadurch, dass der Sattel in der Mitte spürbar nachgibt, sitze ich effektiv tiefer auf dem Rad. Wer empfindlich in Bezug auf seine Sattelposition ist, sollte also darüber nachdenken, den Sattel etwas höher zu stellen. Der Flex ist außerdem in der Mitte des Sattels am stärksten. Vorne und hinten, wo das Gestell mit der Gummischale vernietet ist, gibt der Sattel spürbar weniger nach. Der Komfort-Hotspot liegt deswegen etwas weiter vorne als bei den anderen Sätteln, die ich benutze. Um wieder in meine gewohnte Sitzposition zu kommen, musste ich den Sattel deshalb etwas nach hinten versetzen.

Test im Wald

Ich fahre zwar alle Strecken in der Stadt mit dem Rad, aber länger als eine Dreiviertelstunde bin ich in den seltensten Fällen unterwegs. Um den Sattel einem wirklichen Härtetest zu unterziehen, habe ich ihn für ein paar Touren auf mein Gravelbike geschraubt. Auch dort hat er sich bewährt. Der zusätzliche Komfort ist auch auf 2 Zoll breiten Reifen spürbar und im Wald noch nützlicher als in der Stadt. Bei hoher Trittfrequenz nördlich von 100 rpm ist die Hängematte aber leicht überfordert und der Flex führt zu Hüpfen und Wippen. Mein unsauberer Tritt wird so gnadenlos abgestraft, wenn du runder trittst, sollte dich das nicht stören.

Brooks Cambium C15 Carved Rückteil
Komfort versus Wetterschutz: Bei dem Sauwetter hätte ich auf die Aussparung verzichten können – oder ein Schutzblech montieren

Noch ein Aspekt fällt im Gelände auf: Dort findet Spritzwasser vom Reifen durch die Aussparung schnell seinen Weg in Richtung Radhose. Sobald die feucht ist, wird es ungemütlich. Solltest du also öfters ohne Schutzbleche bei Regen unterwegs sein, dann ist die Version ohne Aussparung besser für dich geeignet. Ein kleiner Trost: Der auf dem Sattel angesammelte Schmutz lässt sich ohne jedes Problem mit einem feuchten Lappen abwischen und hinterlässt keine Spuren.

Der Brooks Cambium C15 ist kein Leichtgewicht, aber macht sein Gewicht durch grandiosen Komfort wieder wett. Wenn du wirklich bei jedem Wetter und ohne Schutzblech fährst, dann empfiehlt sich ganz besonders die Version ohne Aussparung.