Bei Gravelbikes hat sich der Einfachantrieb bereits etabliert, im Cyclocross geht es in die gleiche Richtung, aber am klassischen Rennrad findet man fast immer noch einen Umwerfer. Unser Autor war mit SRAMs Rival 1 Schaltung im Flachland sowie in den Bergen unterwegs und hat getestet, ob und wann die Schaltung an ihre Grenzen kommt.
Theoretische Vorüberlegungen
Argumente für und gegen den Einfachantrieb gibt es zuhauf. Auf der Plus-Seite stehen – zumindest in der Theorie – unter anderem eine geringere Pannenanfälligkeit, weniger Wartungskosten, eine saubere Optik und die Gewichtsersparnis. Gegen den Einfachantrieb sprechen vor allem die großen Sprünge beim Schalten (und damit bei der Trittfrequenz) sowie der relativ große Kettenschräglauf, zumindest auf dem obersten sowie untersten Ritzel. Hinzu kommt, dass man – was das Terrain angeht – im allgemeinen wesentlich unflexibler zu sein scheint. Bei einer direkten Gegenüberstellung mit einer Kompaktkurbel (50/34 & 11-32) fällt der Vorteil in Sachen Bandbreite für diese relativ gering aus. Vergleicht man die Zahlen ganz konkret, stehen sich 420 % (1×11) und 428 % (2×11) bei der Gesamtübersetzung gegenüber. Dabei ist der Topspeed mit der Kompaktkurbel zwar höher, der kleinste Gang beim Einfachantrieb allerdings leichter.
Wägt man allerdings die Argumente grundsätzlich gegeneinander ab, dann fällt schnell auf, dass sie im Wesentlichen von der Wahrnehmung der Person abhängig sind, welche in die Pedale tritt. Die einen werden durch größere Sprünge zwischen den Ritzeln aus dem Tritt gebracht, anderen fällt es leichter die Schaltdifferenzen in ihr Fahren zu integrieren. Auch das Einsatzgebiet (im doppelten Sinn) unterscheidet die individuellen Ansprüche jedes Fahrers an sein Bike. So vielfältig wie die Topographie Deutschlands beispielsweise ist, so unterschiedlich sind die Bedürfnisse. Ist man im Allgäu zu Hause, sind alle Ausfahrten von vielen Höhenmetern geprägt und schwere sowie leichte Anstiege an der Tagesordnung. Wohnt man hingegen im Emsland, bleiben die Hausrunden flach. Nimmt man an Jedermann-Rennen teil, weckt das auch andere Ansprüche an die Schaltung als beim Pendeln oder Tourenfahren.
Die Übersetzungsbreite, also das Spektrum der Ritzel, reicht bei der SRAM Rival 1 von 10 bis 42 Zähnen. Vorne ist eine Kurbelgarnitur mit einem 42er Kettenblatt montiert. Somit weist diese Variante schon eine sehr große Bandbreite an Übersetzungen auf. Generell ließen sich durch das Austauschen der Kassette oder des Kettenblatts auch noch andere Abstufungen ermöglichen. Beispielhaft wäre es möglich, ein 38er Kettenblatt zu installieren, um noch leichtere Gänge fahren zu können. Mit der von mir gewählten Übersetzung lässt sich aber ein sehr großes Spektrum an Geschwindigkeiten und Einsatzgebieten abdecken. Es war mir möglich, sowohl bei 5 als auch bei 50 Kilometer pro Stunde Steigungen und Abfahrten zu bewältigen und dabei locker durchzutreten.
In der Praxis
Da die meisten Radfahrer*innen nicht ausschließlich in ihrer Heimat unterwegs sind und die wenigsten Zeit sowie Lust haben, ihr Ritzelpaket alle paar Wochen zu tauschen, bin ich sowohl im Flachland, als auch in bergigem Terrain unterwegs gewesen, um die SRAM Rival 1 Schaltung im Bezug auf ihre universelle Einsatzfähigkeit zu prüfen. Konkrete Einsatzbereiche waren sowohl Straßen als auch Wirtschaftswege und Singletrails, welche sich mit dem VOTEC VRX Pro alle problemlos beackern ließen. So pedalierte ich durch die Uckermark, das Oberallgäu, die Ybbstaler Alpen sowie die Mala Fatra, ein Nationalpark im westlichen slowakischen Hochgebirge.
Da ich zum allerersten Mal mit nur einem Kettenblatt unterwegs war, konnte ich eine gewisse Skepsis nicht ablegen. Ich begann relativ zaghaft und tastete mich langsam von kleineren Anstiegen über sehr welliges Terrain bis hin zu aggressiven Steigungen vor. Die ersten Hügel stellten überhaupt kein Problem dar und so begann ich schnell, mehr Höhenmeter zu sammeln, als ich ursprünglich vorhatte. Erstaunt hat mich, dass ich so gut wie nie in den ersten, also den einfachsten Gang schalten musste, um eine Steigung zu bezwingen. Insofern wurde schnell eine gewisse Schaltfreude hervorgerufen, die es bisher bei mir so nicht gab. Durch die relativ großen Sprünge zwischen den Gängen machte es auf eine wunderliche Weise mehr Spaß zu schalten. Darüber hinaus war es wesentlich intuitiver als mit der doppelten Anzahl an Gängen. Der Gangwechsel wirkte auf einmal auf eine Art gezielter und zielsicherer. Wurde das Treten schwer, konnte es durch einen einzigen Vorgang erleichtert werden, ohne groß zu überlegen, wie diese Erleichterung am besten zu bewerkstelligen wäre. Besonders bei unerwarteten Situationen abseits der Straße war dieses einfache Schaltgefüge der SRAM Rival 1 wirklich befreiend.
Nachdem ich auf der Straße selbst 15-prozentige Anstiege ohne Probleme bezwingen konnte, bog ich auf unbefestigte Wege ab. Dort bewährte sich die Schaltung ebenfalls. Mühelos legte ich so weitere Kilometer zurück, ohne dass es jemals zu große Schaltsprünge gab oder ich an die Grenzen des letzten Ritzels stieß.
Es kann der Eindruck aufkommen, dass sich im Flachland keine Herausforderungen auftun können, mit der die SRAM Rival 1 Schaltung nicht zurechtkommt. Doch genau hier liegt paradoxerweise die Achillesferse im Konzept der Einfachschaltung. Sieht man sich gezwungen, auf einer flachen Strecke den Gang zu wechseln, da etwa der leichte Gegen- zu leichtem Rückenwind geworden ist, kann es vorkommen, dass man den richtigen Gang nicht unmittelbar zur Verfügung hat. Entweder ist es dann notwendig, ein wenig schneller zu fahren beziehungsweise schwerer in die Pedale zu treten, als einem das Gefühl vorgibt. Oder man entschließt sich, einen Gang runter zu schalten und einfach entspannter weiterzufahren. In jedem Fall machen die großen Abstufungen eine Umgewöhnung erforderlich.
In meinem Fall war dies allerdings recht einfach. Da ich sowohl ohne Trittfrequenzsensor, als auch ohne Wattmesssystem unterwegs war, fiel es mir fast immer ziemlich leicht, mich für eine der beiden Varianten zu entscheiden. War ich am Anfang einer langen Tour oder beim Ausfahren einer schnellen Einheit, ließ ich es einfach locker laufen und entschied mich für den leichteren Gang. Hatte ich Lust darauf, einfach mal ein wenig mehr zu geben und derber über die Straßen zu peitschen, ließ ich die schwerere Übersetzung bestehen.
Fazit
Die Vor- und Nachteile der getesteten SRAM Rival 1 Schaltung konnte ich in den 500 Kilometern und rund 3000 Höhenmetern genügend prüfen. Im direkten Vergleich zu Antrieben mit zwei Kettenblättern gibt es wesentliche Unterschiede in der Übersetzungsbandbreite (kleiner) und bei den Schaltsprüngen (größer). Jeder, der eine einfache, zuverlässige und unkomplizierte Schaltung sucht und gewillt ist, seinen Fahrstil ein wenig anzupassen, findet mit der SRAM Rival 1 genau das Richtige. Dabei ist es egal, ob diese dann am Gravelbike oder Rennrad montiert ist. Da es im Wesentlichen von persönlichen Vorlieben abhängig ist, ob man sich mit nur einem Kettenblatt wohlfühlt, gilt die Devise: Ausprobieren und selber urteilen!