Manchmal ist man ratlos und weiß nicht genau, wo die nächste Reise hingehen soll. Dann lohnt sich ein Blick in Omas Bücherschrank. Unter der Rubrik „Reiseführer“ wurde ich bei meinen Großeltern fündig: Mala Fatra. Davon hatte ich vorher noch nie gehört. Also schnell die Sachen gepackt, ein Rad im Auto verstaut und ab ging es ins Unbekannte.
Über die Mala Fatra
Die Kleine Fatra (so die deutsche Bezeichnung) liegt im Nordwesten der Slowakei. Der Gebirgsteil ist ein Nationalpark, umfasst etwa 226 Quadratkilometer und seine Gipfel reihen sich über 55 Kilometer Länge aneinander. Die Mala Fatra liegt nahe der Niederen und Hohen Tatra und ist damit Bestandteil der Karpaten-Gebirgskette. Die drittgrößte Stadt der Slowakei, Žilina, befindet sich in unmittelbarer Entfernung zu den Gipfeln der Mala Fatra. Besonders bekannt ist das Gebiet für seine zahlreichen Schluchten, Canyons und Klammen. Vor allem Wanderer bereisen diese Region.
Vor dem Einklicken
Bevor es losgeht mit dem Erkunden der Region ist es unabdingbar, sich über die Wege und deren Beschaffenheit zu informieren. Da die Slowakei relativ dünn besiedelt ist, gibt es wesentlich weniger befestigte Straßen als beispielsweise in Deutschland. Hinzu kommt, dass viele Orte in Tälern liegen, wodurch oftmals viele Höhenmeter zurückgelegt werden müssen, um Strecken zwischen zwei Dörfern direkt zu bewältigen. Will man die dazwischenliegenden Berge umfahren, muss man dafür oft viele Kilometer Umweg auf sich nehmen. Daneben gilt es zu beachten, dass Waldwege zwar oft in Navigationsgeräten und -software als befahrbar für alle Fortbewegungsmittel (auch Autos) ausgewiesen sind. Diese Wege sind jedoch in der Praxis zum Teil nicht erkennbar oder ausschließlich mit dem Fully zu befahren.
Diese Lektion musste ich gleich am ersten Tag lernen. Mein Quartier lag am Ende eines Tals in einer Gemeinde mit dem schönen Namen Horný Vadičov. Zum Nationalpark sollten es lediglich 20 Kilometer sein. Nach der Hälfte der Strecke und zwei Stunden Fahrt kehrte ich um und mit der Erkenntnis zurück, dass den Navigationsalgorithmen hier nicht zu trauen ist. Diese errechneten eine Fahrtzeit von einer Stunde und 30 Minuten für die gesamte Strecke.
Jetzt aber los!
Wenn man es dann endlich geschafft hat und auf dem Rad durch die kleinen Orte düst, dann macht das einfach nur Spaß. Auf asphaltierten Wegen rollt es sich fantastisch die Berge rauf und runter. Den Orten merkt man ihre osteuropäische Tradition an: Es gibt viele alte Holzhäuser und Autos, deren Marke ich aus Geschichten meines Opas kenne. Die Folklore, so kann man sagen, liegt vor einem auf der Straße und ziert deren Ränder.
Daneben stehen aber auch viele neu gebaute oder frisch sanierte Häuser. Zugegebenermaßen musste ich mich an so manche Farbwahl der Fassade erst gewöhnen, doch insgesamt sehen die Dörfer und Gemeinden durch diese Mischung aus Tradition und Moderne aus, wie ich die Slowakei als Ganzes sowieso schon wahrgenommen hatte: im Aufbruch ohne Hast.
In jedem winzigen Ort gibt es Straßen, die im Nirgendwo enden. Man trifft auf mehrere Traktoren, unglaublich freundliche Menschen, die jede*n Radfahrer*in grüßen und ihm seine Hilfe anbieten und – besonders wichtig für lange Touren – einen Supermarkt. Der hat zwar in den meisten Fällen nur bis 17 Uhr, dafür aber auch an Sonntagen geöffnet. Gehwege tauchen außerdem fast nie auf, was zur Folge hat, dass sich Autos, LKWs, Fahrräder und Fußgänger*innen die Straße teilen. Der motorisierte Verkehr ist dabei wohl nicht an eine große Anzahl von Fahrrädern gewöhnt, jedoch begegnen sie unserer Spezies mit ausreichendem Respekt und seitlichem Abstand.
Sobald man einmal die Straßen verlässt und sich durch die Wälder schlängelt, kommt es zur Begegnung mit: absolut niemandem. Die einzigen Personen, die ich treffe, sind pausierende Waldarbeiter. Diese erschrecken sich meist ebenso vor mir, wie ich mich vor ihnen. Abgesehen von dieser Begegnung kann ich mich auf den Trails – manchmal sind es auch nur noch minimale Spalten zwischen den Grashalmen – völlig auf mich konzentrieren. Das ist auch absolut notwendig. Die Trampelpfade sind durch schwere Arbeitsmaschinen dermaßen beackert und zerfurcht, dass ich mir zumeist vorkomme wie beim Rodeo. Manchmal wirft mich das Pferd dann auch einfach ab.
Maschinen scheinen hier öfter durchzurollen als Radfahrer*innen Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt
Dahingehend erarbeitet man sich also mit den schwierigen Anstiegen das, wovon es in vielen Regionen nicht mehr viel gibt: Ruhe. Es ist kein Problem, eine Stunde durch die unglaublich grünen Wälder zu fahren, ohne irgendwem zu begegnen. Selbst wenn ich dann mal zwischen zwei Wäldern durch ein Dorf rolle, heißt das nicht, dass ich zwingend auch nur einer Menschenseele begegne. Manchmal sehe ich immerhin eine streunende Katze oder einen herrenlosen Hund.
Den Zustand der Ruhe gilt es dann ausgiebig zu genießen, in dem man auch einfach mal absteigt, Luft holt und sich umsieht. Die Ausblicke sind vor allem auch deswegen so atemberaubend, weil sie einem ganz allein gehören. Ohne die Fahrt zu unterbrechen, ist es fast unmöglich, sich ein Bild von den Tälern, Bäumen und wolkenverhangen Gipfeln zu machen, zumindest wenn man offroad unterwegs ist. Denn sowohl bei den Auf- wie auch bei den Abfahrten bin ich so mit mir, dem Rad und dem Untergrund beschäftigt, dass ich kaum ein einziges Mal aufsehen kann, geschweige denn den Kopf nach links oder rechts drehen.
Das Schöne an der Region ist, dass sie zum einen natürlich sehr gut zum Radfahren geeignet ist. Zum anderen gibt es vor Ort aber auch unzählige Möglichkeiten, wandern zu gehen. Somit bietet sich die Mala Fatra besonders an, um einen aktiven Familienurlaub zu erleben. Außerdem gibt es auch andere Angebote wie Minigolf oder das Thermalbad „Aphrodite“, um sich mal zu erholen. Die Preise für Unterkünfte sind, gemessen am mitteleuropäischen Durchschnitt, eher gering. Lebensmittel bekommt man bei den üblichen Supermärkten wie Lidl, Tesco und Coop. Gut für die Urlaubsstimmung: Das Essen in Restaurants kostet nur unwesentlich mehr, als würde man selbst zum Kochlöffel greifen. Besonders zu empfehlen sind Bryndzové Halušky (Brimsennocken) mit Sahne und Speck, dazu ein Glas Kofola. Mit ein wenig Glück gibt es dieses ausgewogene und vollwertige Menü für unter fünf Euro.
Fazit
Die Mala Fatra ist noch weit davon entfernt, als Geheimtipp für Rennrad, Gravel- oder Mountainbike zu zählen. Die Wege sind zum Teil zerfurcht und zerfahren und Radwege sowie Bikeparks sucht man vergebens. Doch genau das macht den Reiz an dieser Region aus. Denn so allein kann man sonst selten irgendwo die Wege und Ausblicke genießen. Nach meiner Rückkehr hab ich deswegen auch gleich wieder die Reiseführer bei Oma und Opa durchstöbert.
Infos zum Urlaub in der Mala Fatra:
Allgemeine Informationen und Bilder gibt es hier: http://slovakia.travel/de/nationalpark-kleine-fatra
Informationen zu den Gipfeln und Wegen findest du hier: http://www.visitslovakia.com/kleine-fatra/
Exemplarisch hier zwei ausgewiesene Radrouten in der Region:
http://www.visitslovakia.com/radwege-bei-banska-bystrica/
http://www.visitslovakia.com/radwege-bei-kremnica/
Informationen und Anlaufpunkte für Radler*innen in der Stadt Žilina: http://www.tikzilina.eu/en/zilina-and-cyclists/
Das Heil- und Thermalbad Aphrodite findest du hier: https://www.spa.sk/de
Ein guter Ausgangspunkt ist Terchová. Der nächste Campingplatz ist http://www.campingbela.eu