Immer am letzten Sonntag im März ist es – seit Einführung der Sommerzeit 1980 – soweit: Um zwei Uhr nachts werden die Uhren eine Stunde vorgestellt. Endlich ist es wieder länger hell, endlich kann man wieder ohne Licht am Rad fahren. Die Zeitumstellung ist sozusagen der Vorbote des Sommers: Das klingt doch nach einer prima Sache, oder nicht?
Dennoch bietet die Zeitumstellung Jahr für Jahr Stoff für Zoff: Uns scheint, als sei dieses Thema eine ziemlich persönliche, fast schon emotionale Angelegenheit und genau deswegen wollen wir das Ganze in diesem Beitrag gar nicht bewerten. Stattdessen lassen wir zwei Radfahrer zu Worte kommen, die ihre feste Meinung dazu haben, dass auch in diesem März wieder kräftig an der Uhr gedreht wird.
Pro Sommerzeit von Basti Steinecker
Bastian Steinecker betreut redaktionelle Themen und Branding-Aufgaben für Brügelmann und fördert Radgeschichten anderer Mitarbeiter*innen zu Tage. Die Leidenschaft für Mountainbikes und schmale Wege begleitet ihn noch bedeutend länger als Ausbildung, Beruf oder sogar Partnerin. Ein Hausberg mit herausforderndem Gelände vor der Tür ist dabei (fast) alles, was er zum Glück als Mountainbiker wirklich braucht. Die schnelle Feierabendrunde ist seit Jahren eine geliebte Institution. Ein Plus an Tageslicht am Feierabend kommt da wie gerufen.
Zu Studienzeiten riefen meine Eltern verlässlich kurz vor der Zeitumstellung an, und erinnerten ihren Langschläfer-Sohn daran, dass nun wieder an der Uhr gedreht werden würde. Zugegeben, das eine oder andere Mal war ich durchaus überrascht und dankbar für den Hinweis. Vorgespult ins Arbeitsleben ist die gute alte Sommerzeit ein sehr guter Freund geworden, dessen Ankunft ich als bekennender Morgenmuffel jedes Frühjahr erneut begrüße. Denn ich möchte regelmäßig aufs Rad kommen. Aber ich fahre nicht gern im Dunkeln. Ich mag es einfach nicht – noch nicht mal im Winter. Ich steige aufs Mountainbike, um mit den Wurzeln und Steinen zu spielen und meinen Kopf zu leeren, nicht um fokussiert einen Lichtkegel entlangzustampfen.
Okay, ich versteh die Argumente der Zeitumstellungs-Skeptiker ein bisschen. Natürlich ändern wir so weder Sonnenauf- noch Untergang. Die englische Bezeichnung „Daylight Saving Time“ ist ein missverständlicher Euphemismus. Es ist nicht länger hell. Und die historische Motivation, im kapitalistischen Produktionsprozess etwas Elektrizität einzusparen, wirkt angesichts unseres modernen Alltags auch wie eine sehr fadenscheinige Ausrede. Aber was macht die Sommerzeit eigentlich? Sie verschiebt nicht den Sonnenuntergang nach hinten, sondern unsere Verabredungen, Termine und Verpflichtungen eine Stunde nach vorn. Das kann man blöd finden oder nicht – es ist Gott sei Dank (noch) eine Tatsache. Die vielen, die aus guten organisatorischen Gründen im Alltag eine Uhr im Blick behalten, bekommen mit der Sommerzeit eine abendliche Stunde geliehen. Zum Beispiel, um auch nach einem Arbeitstag noch im Tageslicht Rad zu fahren. Endlich. Wieder. Jeder Tag nach dem 21. Dezember bringt uns erst etwa eine, später zwei Minuten mehr Tageslicht am Morgen und am Abend. So richtig aufwärts geht es ab März, passenderweise im Einklang mit der Temperaturentwicklung. Dann kommt die Sommerzeit als kurzer Turboschub hinzu. Zugegeben, nur am Ende des Tages, da aber plötzlich mit einem sofort spürbaren Gewinn.
Eine Stunde, das ist recht genau die Zeit, die ich einplanen muss, um von der Haustür bis auf meinen Berg zu kommen. Es ist eine einfache Rechnung. Heute, am Freitag dem 26. März geht die Sonne bei mir um 18:46 Uhr unter. Wenn ich es noch schaffen will, auf meinen Hausberg zu fahren, dann muss ich allerspätestens um 17:45 Uhr fix und fertig im Sattel sitzen. Ich darf darauf spekulieren, dass das letzte Licht nach dem Untergang noch gerade ausreicht, die Trails bergab auszuleuchten. Keine Fotostopps, keine Genusspausen in der letzten Frühlingssonne und besser auch keine Defekte. Aber am kommenden Montag habe ich plötzlich Zeit bis zehn vor acht, bevor die Sonne untergeht. Um sechs den Rechner zuzuklappen, reicht plötzlich locker aus, um mich fertig zu machen, für knapp zwei Stunden den Kopf freizustrampeln und auch noch die anspruchsvollen Abfahrten mitzunehmen – Pause inklusive. Die Chancen auf eine genussvolle abendliche Runde in meiner Arbeitswoche sind von einem Tag auf den anderen sprunghaft gestiegen und steigen langsam weiter bis zum Ende Juni. Ohne die Zeitumstellung wäre freilich genau dasselbe passiert, auf ganz natürlichem Weg. Ich hätte mich nur bis zum 5. Mai gedulden müssen.
Na klar hat die Zeitumstellung ihren Preis. In den ersten Tagen ist der frühere Tagesstart furchtbar. Aber schon nach kurzer Zeit tritt die Gewöhnung ein. Bei mir zumindest. Ja, ich kenne sie auch, die Aussagen von Leuten, die sagen, sie würden noch Wochen oder gar Monate unter der Zeitumstellung leiden. Komischerweise leiden dieselben Leute nach meiner Beobachtung nicht annähernd so ausdauernd oder laut an teils achtstündigen Zeitverschiebungen durch Urlaubsreisen auf andere Kontinente. Und wenn später im Jahr beim sommerlichen Grillen weit nach neun noch der Sonnenuntergang bewundert werden kann, beschwert sich in der Regel auch niemand darüber, dass es zu lange hell sei.
Ich bleibe dabei: Die Sommerzeit ist ein Segen für alle Outdoorsportler– ganz besonders für jene mit einem Arbeitsalltag, den sie nicht alleine bestimmen können. Das frei nutzbare Tageslicht ganz eigennützig in Rad- und Freizeit umzuwandeln, ist dann vielleicht auch die schönste Antwort auf eine historisch vermeintlich ausbeuterische Intention, oder?
Kontra Sommerzeit von Martin Donat
Martin Donat ist Herausgeber des lifeCYCLE Magazins und leidenschaftlicher Radfahrer mit Hang zu ausgedehnten Bikepacking-Abenteuern. Auf seinen Reisen ticken die Uhren in der Regel ohnehin ein wenig anders: Der Rhythmus der Natur ist auf einer Radtour unter freiem Himmel viel präsenter. Sonnenauf- und Untergang sind beim Bikepacking ein viel wichtigerer Faktor als im hektischen Alltag. Insofern verwundert es kaum, dass Martin sich von der Zeitumstellung nicht sehr begeistert zeigt …
Bald gilt wieder die Sommerzeit – juchhuuu (nicht)! Ich würde noch nicht einmal behaupten, dass ich ein Gegner dieser Maßnahme bin. Ich halte sie schlichtweg für unnötig – für mich gehört diese ganze Diskussion in die Kategorie „nicht besonders dringende Probleme“.
Aber ist es denn nicht toll, wenn es im Winter länger hell ist und man im Sommer das Tageslicht optimal nutzt? Also, ganz ehrlich: Erstens ist es nicht länger hell. Sonnenauf- und Untergang sind ein Naturgesetz, daran ändern wir Menschen sicher nichts. Das Einzige, was wir ändern, ist unser Tagesablauf. Zweitens reden wir hier über eine (!) lächerliche Stunde. Und wenn man nicht ohnehin einen eher flexiblen Tagesablauf genießt (zum Beispiel durch Selbstständigkeit, Gleitzeit oder neuerdings Homeoffice), dann macht diese eine Stunde in den meisten Fällen den Kohl auch nicht fett. Schon gar nicht, wenn man bedenkt, womit wir sonst so den lieben langen Tag unsere Zeit verschwenden (Fernsehen, im Stau stehen, Handydaddeln, herumdiskutieren …). Lange Rede, kurzer Sinn: Ich denke, wenn man sich darauf einstellt, seinen Tag effizient nutzt und eventuell den Tagesablauf ein kleines bisschen anpasst, kann man diese eine Stunde locker ausgleichen.
Foto: Cube
Aber wie schon gesagt: Auch wenn ich diese Maßnahme für Quatsch halte, würde ich mich gar nicht unbedingt als Gegner bezeichnen. Zumindest war ich das nicht – bis ich mich für diese Diskussion hier ein wenig in die Materie eingelesen habe. Warum nochmal wurde diese Zeitumstellung eingeführt? Die Idee dazu ist schon ziemlich alt. Ende des 18. Jahrhunderts kam Benjamin Franklin bereits auf die Idee, dass man der Energieverschwendung durch das ausgedehnte Nachtleben irgendwie beikommen müsse. Sein Lösungsansatz war ziemlich pragmatisch und er gefällt mir: Man müsse eben früh aufstehen und ebenso früh ins Bett gehen. Ende des 19. Jahrhunderts dann entstand die Idee der staatlich verordneten Zeitverschiebung. 1916 wurde sie dann zum ersten Mal eingeführt. Nicht nur in Deutschland – „Daylight Saving Time“ nannte man es zum Beispiel in Großbritannien. Das klingt erstmal ganz friedlich und nett. Der wahre Hintergrund war aber – wer hätte das gedacht – der Erste Weltkrieg und der Versuch, dadurch Ressourcen einzusparen.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde diese Maßnahme in Deutschland wieder abgeschafft. Seither ist es ein „On“ und „Off“. Die Gründe für die Wiedereinführung dieser fragwürdigen Maßnahme waren immer ähnlich gestrickt: Im Zweiten Weltkrieg war es wieder so weit. Ein weiteres Mal wurde die Sommerzeit während der Ölpreiskrise in den 1970er Jahren wiedereingeführt – dieses Mal war immerhin kein Krieg, sondern nur wirtschaftliches Interesse (aka. Profitgier) der Grund dafür. Und dabei ist es bis heute geblieben. Ich sehe es mal so: Die Sommerzeit ist ein schönes Mahnmal menschlicher Gewaltexzesse und der Gier des Kapitalismus.
Ich lasse mich aber ja immer gerne überzeugen und daher schaue ich mir auch an, welche Vorteile denn nun all das wirklich hat. Nur konnte ich diesbezüglich leider nicht viel finden. Ja, man spart wohl in der Sommerzeit abends ein wenig Energie, weil das Licht später eingeschaltet wird. Blöderweise wird dadurch aber morgens früher geheizt – weshalb der Energieverbrauch unterm Strich sogar steigen soll. Medizinisch betrachtet wirkt sich die Maßnahme zumindest bei empfindlichen Menschen negativ aus. Schlafstörungen können die Folge sein, was eine Belastung des Gesundheitssystems bedeuten würde.
Zudem gibt es Studien, die eine vermehrte Anzahl von Verkehrsunfällen am Montag nach der Zeitumstellung auf die Sommerzeit belegen wollen. Es gebe sogar mehr Arbeitsunfälle in diesem Zeitraum. So richtig beeindruckt mich jedenfalls der angeblich positive Nutzen von all dem nicht. Wenn du jetzt sagst: „Aber es geht doch hier darum, dass man länger ohne Licht Rad fahren kann“ – da hast du natürlich prinzipiell recht. Mich persönlich stört es jedoch überhaupt nicht im Dunklen (mit Licht) zu fahren. Im Gegenteil: Ich mag diese mystische Stimmung in der Nacht und liebe es, alleine über ruhige Straßen zu rollen, während alle anderen schon im warmen Wohnzimmer sitzen.
Trotzdem freue ich mich auf die Sommerzeit! Also auf die echte. Die, während der auf ganz natürliche Weise die Tage länger sind. Die kommt einfach so, Jahr für Jahr – ob wir nun selber noch an der Uhr drehen oder nicht. Und für alle anderen „Probleme“, die der Mensch mit der Zeitumstellung meint lösen zu müssen, halte ich es ganz pragmatisch mit Benjamin Franklin und schlage vor: Steh halt früher auf und geh zeitig ins Bett. Mit anderen Worten: Mach dir doch deine eigene Sommerzeit, ganz so, wie es zu deinem Tagesrhythmus passt. Das spart nicht nur Energie, sondern ist auch noch total gesund!
Foto: Orbea