Das Wort „Gravel“ ist in aller Munde, selbst wenn damit immer noch die unterschiedlichsten Dinge verbunden werden. Die Spannbreite ist allein bei den Gravel-Bikes gigantisch. Sie reicht von Rennradgeometrien mit verbesserter Reifenfreiheit (Cervélo Àspero) über leicht modifizierte Cyclocrossräder (Cannondale SuperX SE) bis zu Mountainbikes mit Rennradlenkern (Salsa Cutthroat). Diese Vielfalt spiegelt auch die Menge an Optionen wieder, was unter „Gravel“ verstanden wird. Von der Feierabendrunde, wo es zwischendurch auch mal ein paar hundert Meter über eine Forststraße geht, bis hin zu Bikepackingrennen über 2000 Kilometer – alles kann Gravel sein, was zu gehöriger Verwirrung (und auch Ablehnung) führen kann.
Shimano hatte sich des Themas bisher noch gar nicht angenommen. Mit dem Launch der GRX-Gruppen hat der Marktführer in Sachen Schaltung eindrücklich klargestellt, dass er den Trend nicht verpennt hatte. Das Ergebnis jahrelanger Entwicklung sind drei Gruppen, die jetzt endlich komplett verfügbar sind und Features bieten, die für Graveltouren traumhaft sind: Veränderte Bremshebel für einfacheres Bremsen, ohne im Unterlenker zu sein, SERVOWAVE-Funktion für verbesserte Modulation beim Bremsen sowie Schaltwerke mit Dämpfer sind abseits des Asphalts Gold wert.
Alle GRX-Gruppen bieten allerdings auch Verbesserungen für Fahrer*innen , die nicht mal im Traum daran denken, den Asphalt zu verlassen.
Echtes 1x von Shimano
Wer bisher mit Shimano geschaltet hatte und gerne einen 1x-Antrieb fahren wollte, war zumindest teilweise auf Produkte anderer Marken angewiesen. Mit den Teilen der GRX-Gruppe ist damit Schluss. Inzwischen erkennt auch der japanische Riese an, dass in vielen Situationen auch am Rennrad ein Kettenblatt völlig ausreichen kann. Alle GRX-Schaltwerke verfügen über die aus dem Mountainbike-Bereich bekannte Shadow+-Technologie, die in Zusammenarbeit mit dem „Dynamic Chain Engagement+“ getauften Narrow-Wide-Profil des Kettenblatts die Kette immer da hält, wo sie hingehört.
Übersetzungen für normale Menschen
Rennräder sind seit Ewigkeiten mit übertrieben schweren Übersetzungen ausgestattet, die für praktisch niemanden funktionieren, der nicht sein Geld mit Rennrad fahren verdient. Die an vielen Rädern verbaute „Heldenkurbel“ (mit 53-39 Kettenblättern) ist am oberen Ende zu lang übersetzt, um jemals voll ausgefahren zu werden und bietet nach unten hin nicht ansatzweise genügend Reserven. Shimano hatte für Rennräder lange Zeit als leichteste Option lediglich eine Kompaktübersetzung (50-34) im Angebot. Nicht nur für Fahrten auf unbefestigten Straßen und Räder, die mit Gepäck beladen werden, war das eine schmerzhafte Lücke, die man mit Fremdherstellern oder Bastellösungen ausfüllen musste. Mit der GRX-Gruppe gibt es nun zwei neue Optionen mit 48-31 oder 46-30 Kettenblättern. Wer hin und wieder Anstiege jenseits der 10 % im Programm hat oder tatsächlich mal seine gesamte Kassette verschleißen möchte, wird sich freuen.
Achtung: Die GRX-Kurbeln benötigen wegen einer leicht veränderten Kettenlinie den passenden GRX-Umwerfer.
Oberlenkerbremshebel für hydraulische Bremsen
Mit diesem pfiffigen System ist Shimano ein echter Coup gelungen, denn so eine Option hat (noch) kein anderer Hersteller im Programm. Sicher, nur die Wenigsten sind überhaupt an so etwas interessiert. Es gibt da draußen aber garantiert Fahrer*innen, die (nicht nur) auf unebenem Terrain ein wenig Zusatzkontrolle zu schätzen wissen. Wer diese Bremshebel als Spielzeug unsicherer Anfänger*innen verlacht, ist übrigens herzlich eingeladen, sich das Rad genauer anzuschauen, mit dem Paris-Roubaix 2017 gewonnen wurde.
Fazit
Immer noch kann niemand genau sagen, was „Gravel“ eigentlich ist. Das ändert sich auch mit dem Launch von Shimano GRX nicht, denn die Gruppen bieten für jedes Terrain vom feinsten Asphalt bis hin zum Singletrail etwas. Solange Hersteller aber unter diesem Oberbegriff weiter Produkte auf den Markt bringen, die Rennräder vielseitiger, komfortabler und schneller machen, ist es mit einer genauen Begriffsklärung auch nicht so eilig, oder?