„Radfahren kommt von Radfahren“ lautet ein alter Spruch unter Radprofis, der meint, dass man eben auch einige Stunden im Sattel verbringen muss, um etwas schneller voran zu kommen. Doch während die Profis ihr komplettes Leben nach dem Sport ausrichten können, ist es für Hobbysportler*innen gar nicht so einfach, einen stattlichen Trainingsumfang in den Alltag zu integrieren. Beruf, Familie, Haustier, Elternabende … Schon das „normale“ Leben ist ziemlich voll.
Wer seinen Radsport dennoch entsprechend ausüben möchte, muss zu Kompromissen bereit sein und Training und Alltag geschickt verbinden können. Dass man sich dabei neidvoll an die Zeit als Schüler*in, Azubi oder Student*in erinnert, gehört ebenso dazu, wie die Tatsache, dass es keinen „goldenen Weg“ für Jedermann oder -frau gibt. Aber einige nützliche Tipps für eine gute Vereinbarkeit von Training und Berufsalltag gibt es dennoch.
Balance aus Training und Regeneration
Grundsätzlich gilt: Je ambitionierter man trainiert, desto größer werden die Organisationsprobleme. Dem kann man mit Disziplin entgegenwirken. Doch gerade sehr ambitionierte Hobbysportler*innen machen den Fehler, dass sie zwar viele Stunden trainieren, aber eben nicht für ausreichend Regeneration sorgen. Genau dort liegt oft der Unterschied zum Profi. Denn wenn ein Radprofi wie Tour-Etappensieger Simon Geschke nach dem Morgentraining auf der Couch entspannt, düsen Hobbysportler*innen ins Büro und müssen dort auch Leistung bringen.
Zeitbudget abschätzen
Es gibt wohl keine Sportler*innen, die nicht gern etwas besser oder schneller wären. Doch wer sich verbessern will, muss Aufwand betreiben. Das will bei knappem Zeitbudget gut geplant sein. Wer zu hohe Maßstäbe ansetzt, die dann nicht einzuhalten sind, ist schnell gefrustet. So ist es wichtig, die möglichen Trainingszeiten richtig abzuschätzen. Wie viele Stunden bleiben neben Familie, Beruf und sonstigen Verpflichtungen? Was ist mit dem Sozialverhalten vereinbar? Nur ein realistischer Plan hat die Chance, erfüllt zu werden. Dabei sollte man natürlich nicht nur an sich denken, sondern auch die individuellen Wünsche und Toleranzgrenzen des Umfelds berücksichtigen.
Realistische Ziele
Neben dem solide eingeschätzten Trainingsumfang sollten auch die sportlichen Ziele realistisch gesteckt sein. Dabei geht es vor allem darum, welches Ziel man selbst verfolgen möchte. Nur so lässt sich gezielt trainieren. Wer etwa einen Radmarathon wie den Ötztaler überstehen will, muss anders trainieren als derjenige, der bei einem 60 km – Jedermannrennen die Kumpels abhängen will. Wer größere Umfänge trainieren möchte, wird das beispielsweise schwer in den Mittagspausen unterbringen können.
Es stellt sich individuell die Frage, wie sich die Arbeitswoche strukturieren lässt, um ein gutes Zusammenspiel aus Belastung und Erholung zu gewährlisten. Dabei geht es auch um die Frage des Trainingstyps. Braucht man den Sport auch zur Entspannung von der Arbeit, wird man das Training während der Arbeitswoche eher weniger intensiv gestalten. Zudem spielt es eine Rolle, ob man hauptsächlich allein trainiert oder in der Gruppe. Denn die klassische Feierabendrunde mit den Kumpels am Mittwochabend fällt meist intensiver aus, so sollte man anschließend ausreichend Regenerationszeit einplanen.
Diese Fragen sollte man für eine gute Planung realistisch beantworten:
– Wie viele Stunden habe ich zur Verfügung?
– Was ist für mein Umfeld verträglich?
– Was will ich mit meinem Training erreichen?
– Wann wird intensiv, wann eher locker trainiert?
Regeneration, Ruhe, Schlaf & gesunde Ernährung
Im Unterschied zu den Profis bedarf eine gute Regeneration bei Hobbysportler*innen mehr Organisation als bei Profis. „Kein Sport“ bedeutet eben nicht „Ruhe und Regeneration“. Dem muss man Rechnung tragen. Nach einem Arbeitstag mit acht Arbeitsstunden sollte man keine fünf Stunden Vollgas fahren, weil der Körper dann eben 13 Stunden Belastung hat. Das toleriert er nur eine gewisse Zeit, dann geht die Überlastung nach hinten los. Was folgt ist: körperliche und geistige Überlastungserscheinungen und/oder Krankheit und damit eben Ausfall.
Sehr wichtig ist ausreichend Schlaf. Von Person zu Person ist das Schlafbedürfnis unterschiedlich, aber grob sollten es mindestens sieben Stunden sein. Schläft man zu wenig, verzögert das die Regeneration und verhindert, dass das Stresslevel des Körpers absinken kann. Ein wichtiger Baustein ist die Ernährung. Sie sollte so gesund und ausgewogen wie möglich sein. Doch so klar, wie dies jedem Menschen ist, so schwer fällt es manchmal den Plan vom gesunden Essen umzusetzen. Mal ist es das Snickers, um schnell noch etwas fertig zu bekommen, weil keine Zeit für eine Pause bleibt, mal ist es der Gruppendruck und der Duft des Kantinen-Klassikers Currywurst mit Pommes, der den Plan von der gesunden Ernährung scheitern lässt. Selbst wenn man sich kleine Essenssünden durchaus erlauben sollte, wenn es dem Kopf hilft – für ausreichend Flüssigkeit sollte man stets sorgen!
Grobe Ernährungs-Checkliste:
– Gemüse & Obst, hochwertige Fette (pflanzlich, ungesättigt), Fisch und Fleisch in Maßen
– Frühzeitig essen – lieber mehrere kleine Mahlzeiten, damit Heißhungerattacken und damiteinhergehende Snickers-Currywurst-Exzesse vermieden werden
– Immer für ausreichend Flüssigkeit sorgen – keine großen Mengen auf einmal, lieber nach und nach trinken, auch während des Trainings nachfüllen.
– Ausreichend Energie vor dem Training – steht die intensive Abendrunde an, lieber nicht den leichten Salat zum Mittag, sondern ausgewogen und ausreichend Kohlenhydrate zu sich nehmen, sonst geht beim Training der Sprit aus.
– Nicht zu spät Abendbrot essen – je später, desto „leichter“. Der Körper bekommt so die Möglichkeit, das Gegessene noch zu verarbeiten. Das erhöht ebenfalls die Schlafqualität.
Tipps für den Trainingsalltag
Top organisiert
Bei frühen Einheiten kannst du das Frühstück gleich mit dem vorhergehenden Abendessen vorbereiten. Gerade wenn du morgens Müsli isst, kannst du das abends in Form von Bircher Müsli schon prima vorbereiten. In der Mittagspause kannst du den Einkauf erledigen, was besonders im Winter, wenn die Einkäufe länger im Auto bleiben können, gut funktioniert.
Damit es nach der Arbeit schneller geht, kannst du dir zu Hause eine „Wechselzone“ vorbereiten. Wenn die Radsachen schon parat liegen, geht es ohne Unterbrechung los. Am Ende des Trainings solltest du 10-15 Minuten locker ausrollen. Das hilft, den Körper schneller runterzubringen und besser in den Schlaf zu kommen.
Die Ernährung ist enorm wichtig: Wenn du am Wochenende bereits an die Woche denkst, kannst du einige Essen für die Bürowoche vorbereiten und tappst seltener in die hektische und ungesunde „Was esse ich jetzt schnell“-Falle.
Beim Pendeln bieten sich auch Möglichkeiten, die oft ungenutzt bleiben. Wenn es zeitlich machbar ist und Duschen am Arbeitsplatz vorhanden sind, bieten sich hier die lockeren Einheiten an.
Sei flexibel
Halte deine Trainingsklamotten immer bereit. Fällt das Meeting aus, geht es ab aufs Rad. Oft lassen sich auch Trainingseinheiten mit sozialen Kontakten kombinieren. Trefft euch vor oder nach einer Schwimmeinheit im Strandcafé. Plane die Radeinheit mit Kaffeepause bei Freund*innen oder an einem gemeinsamen Treffpunkt. Fahre oder laufe von einer Verabredung nach Hause. Im Sommer kann man die Morgenstunden nutzen, im Winter sind Smarttrainer eine Alternative zum Training draußen.
Erholung statt Zeitkiller
Netflix und Co lassen die Zeit nur so verschwinden. Teile dir deinen Serienkonsum ein, um auf der Couch nicht die Kontrolle zu verlieren und zu „bingewatchen“, statt dich im Schlaf zu erholen. Lass dein Smartphone nicht in die Nähe deines Betts. Facebook, Instagram & Twitter vor dem Schlafengehen halten nur vom Schlaf ab. Setze dir klare Zeiten, zu denen du regelmäßig schlafen gehst und aufstehst. Sorge auch für optimale Schlafbedingungen, vor allem was die Verdunklung und Belüftung angeht.
Mini-Trainingslager
Nutze Feiertage in Verbindung mit einem Brückentag für ein viertägiges Trainingslager zu Hause. Drei Tage lang sollte die Intensität und Trainingsdauer gesteigert werden. Am dritten Tag findet dann die „Königsetappe“ statt. Den vierten Tag kannst du dann für eine ruhige Einheit nutzen. Der erste neue Arbeitstag ist Ruhe-/Entlastungstag mit keinem, wenig oder Alternativtraining.
Belohnungssystem
Wer ein Ziel erreicht, erhält ohnehin Bestätigung. Aber gerade bei straffer Organisation ist viel Disziplin nötig, für die man sich durchaus selbst belohnen kann. Das darf ein Extra-Cappuccino mit der Radgruppe sein, oder auch ein Gadget, wie z.B. der neueste Fahrrad-Computer für deine Trainingseinheiten. Auch die Personen, die dir den Rücken freihalten und dein intensives Hobby ermöglichen und „mittragen“, freuen sich über Belohnungen.
Trainings-Struktur
Als Beispiel hier zwei mögliche Varianten der Strukturierung mit einer möglichen Intensitätsverteilung. Dies ist nur ein grobes Anschauungs-Beispiel. Für eine gezielte, individuelle Trainingsplanung gilt es mehrere Parameter abzuwägen und gezielt aufzubauen.
Fazit
Berufliche und sportliche Ziele unter einen Hut zu bekommen, ist nicht einfach – aber durchaus möglich. Mit ein wenig Vorausplanung und Struktur kann man auch zusätzlich zu einer steilen Karriere und einem erfüllten Familienleben noch beachtliche Trainingsfortschritte erzielen.