„Was hältst du davon, wenn ich mit den Kindern ein Wochenende zu meinen Eltern fahre?“ Dieses Angebot meiner Frau konnte ich nur annehmen. Nun hatte ich also ein Zeitfenster von 48 Stunden, um genau das zu machen, was ich wollte. Aber was genau war das? Es war Anfang März, ein langer Bikepacking-Trip war nicht drin und bei den Temperaturen eigentlich auch keine lange Tagestour. Doch dann erfuhr ich von „Ride For A Reason“, einem selbstgeplanten and self-supported Abenteuer der Orbit360-Macher. Ich dachte mir nun plötzlich: “Na klar und wann, wenn nicht jetzt?“
Ride for a Reason
Die Orbit360 Ride For A Reason Challenge kam mit einer einfachen, aber genialen Idee daher: Fahrrad fahren und Gutes tun. Das Konzept war simpel. Alle, die Lust auf ein kleines oder großes Winterabenteuer hatten, mussten eine Route von 180, 360 oder mehr Kilometern planen. Im Zeitfenster zwischen dem 27.2. und dem 31.3. musste die Tour dann passieren, aufgezeichnet und bei komoot hochgeladen werden. Da es sich um ein Event handelte, gab es ein Startgeld, welches gleichzeitig eine Spende für die Projekte BIKEYGEES und Ghana Bamboo Bike Initiative war. Für alle, die ins „Ziel“ kamen, legte komoot dann noch einmal zehn Prozent des gespendeten Betrags obendrauf.
Am Abend vorher
Für die 180 Kilometer bei minus zwei bis vier Grad (so verriet es mir der Wetterbericht) wollte ich einiges dabeihaben. Ein paar Riegel, ein paar extra Socken und einen zweiten Baselayer plus meine Kamera für ein paar schöne Bilder galt es deswegen am Winterrad unterzubringen. Eine Oberrohrtasche plus Rahmentasche genügten dafür und ich packte eilig alles zusammen. Im Anschluss wollte ich nur nochmal kurz über die Kette wischen, doch mein Blick blieb an meinem Hinterrad kleben. Mehrere Risse entlang der Felge, ausgehend von den Speichenlöchern, ließen meine Laune in den Keller und meine Mundwinkel weit nach unten rutschen. Schlappe drei Stunden später hatte ich schwarz verschmierte Hände und ein Austausch-Hinterrad installiert, welches ich natürlich vorher noch besorgen musste. Meine miese Laune ließ ich unten im Keller bei meinem Winterrad, während ich mich oben bei Nudeln und Bier fragte, ob es denn diese Mühe wirklich wert gewesen war oder ob ich nicht einfach auch entspannt auf der Couch hätte liegenbleiben können.
Abfahrt
Früh um acht Uhr ging es nach einer unruhigen Nacht los. Die Vorfreude mischte sich mit der verbliebenen Hektik des Vorabends. Ich hatte nun genau zehn Stunden Zeit bis zum Sonnenuntergang, was ein ausreichendes Zeitfenster sein sollte. Die Sonne lachte und schnell waren die ersten Kilometer und vor allem Höhenmeter überwunden. Denn ich hatte mir nicht gerade die flachste Strecke herausgesucht. Über 1.500 Höhenmeter waren es auf den 180 Kilometern bei der Planung geworden. Ich entschied mich, gleich mit den Red Hot Chili Peppers im Ohr in den Tag zu starten, wodurch meine Laune direkt richtig gut war. Meine Beine suggerierten mir ebenfalls große Heiterkeit und so kam ich meinem ersten Etappenziel der Orbit-rideFAR-Strecke trotz Gegenwind sehr schnell näher.
Erstes Etappenziel
Um kurz vor halb elf sauste ich durch Bad Frankenhausen in Richtung Kyffhäuserdenkmal. Dieses lag nun 350 Höhenmeter über mir. Auch hier sorgten meine Beine für ordentlich Rabatz, was mich angesichts des schweren Winter-Bikes inklusive der nicht ganz leichten Ausrüstung ins Staunen versetzte. Doch offensichtlich konnte ich einen großen Teil meiner Form über den Winter retten. Als ich mich diesen Anstieg das letzte Mal hochkämpfte (beim Maurice Brocco 400), kam er mir ewig vor. Heute hatte ich ihn schneller bezwungen als jemals zuvor. Oben legte ich dann natürlich noch den Umweg mit den Extra-Höhenmetern zum Denkmal zurück. Das Tor zum wuchtigen Kyffhäusermonument bleib mir allerdings leider verschlossen, sodass ich mir im Schatten nur schnell eine Käsestulle reinstopfte und mich dann auf die Abfahrt begab.
Zweites Etappenziel
Mittlerweile hüpfte das Thermometer über die Null-Grad-Marke, trotzdem war mir durch den kurzen Stopp mächtig kalt geworden. Mit der Windweste konnte ich bei der Bergabfahrt aber genug Wärme generieren. Das lag auch daran, dass mich der kurvenreiche Kurs und die noch nicht ganz aufgetaute Straße nicht dazu motivierten, neue Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen. Besonders unter Motorradfahrern ist diese Strecke im Sommer durch die vielen engen Kurven außerordentlich beliebt. Kein Wunder, denn wo gibt es sonst schon 36 enge und weite Kurven hier in der Gegend? Jetzt im Winter wurde an einigen Abschnitten gebaut. Die aufgestellten Baustellenampeln bremsten mich zusätzlich. Motiviert und leicht ausgekühlt kam ich in Kelbra am Fuße des Kyffhäusers an.
Nun erinnerte ich mich wieder: Der folgende Streckenabschnitt sollte flach und gerade sein, um mal wieder ein paar richtig schnelle Kilometer machen zu können. Und das gelang mir dank Rückenwind mehr als gut. Ich legte mich in den Auflieger und spürte die Kilometer an mir vorbeiziehen. Immer rechts von mir türmte sich das Kyffhäuserdenkmal auf, was in der Mittagssonne ein wahrlich herrlicher Ausblick war. Leider lockte das sonnige Wetter aber auch mehr und mehr Ausflügler*innen, Kinder und Hunde(besitzer*innen) auf den schönen Radweg, weshalb ich den Tiefflug einige Male unterbrechen musste.
Die große Pause
Bei der Planung hatte ich mir gedacht, dass nach 100 Kilometern eine erste längere Pause schlau wäre. Gut geschätzt, denn mein Magen sowie die übrigen Kraftreserven gaben mir die nötigen Signale und so machte ich es mir an einer Tankstelle bei Cola, Kaffee und Brötchen gemütlich. Die Sonne schien zwar, aber es war trotzdem ziemlich frisch. Die Autowaschanlage, vor der ich stand, bot allerdings nicht den Charme einer gemütlichen Imbissbude, und so fiel die große Pause doch etwas kürzer aus. Allerdings war sie immer noch lang genug, damit ich mein System beim Weiterfahren erstmal wieder aufwecken musste. Einige Kilometer plätscherten dahin, bevor ich wieder in Schwung kam.
Kaffee und Kuchen
Bis zum nächsten Etappenziel waren es zwar nur 50 Kilometer, aber auch die schleppten sich zäh dahin. Hier mal eine Fotopause, da ein Pinkelstopp und schon sank die Durchschnittsgeschwindigkeit deutlich ab. Die Stimmung allerdings blieb sehr gut. Ich war mittlerweile auf dem Unstrut-Radweg angekommen, welcher sich idyllisch durchs Tal der Unstrut schlängelt. Hier waren kaum Menschen, dafür immer noch ein Hauch von Rückenwind und eine richtig entspannte Atmosphäre. Langsam meldete sich dann aber schon wieder mein Hungergefühl. Mein Körper verlangte nach Zucker in Form von Kuchen und Cappuccino. Bad Bibra stellte weit und breit die letzte große Ortschaft dar, in der ich diesem Verlangen nachgehen konnte. Und tatsächlich gab es einen Bäcker, der geöffnet hatte und dazu noch einen Platz in der Sonne.
Finish
Im Anschluss war es gar nicht so leicht, sich von diesem Sonnendeck zu lösen. Allerdings war es nun auch schon recht spät und es blieben nur noch zwei Stunden Helligkeit für die letzten 40 Kilometer. Ein Blick aufs Höhenprofil ließ mich augenblicklich zu den Kopfhörern greifen. Hämmernde Indie-Rock-Beats peitschten mich den letzten großen Anstieg des Tages nach oben. Es wurde nochmal richtig schön, bevor es dann doch noch ganz schön trist wurde. Abgemähte Felder, kleine Hügel, die viel Kraft kosteten und die nahende Dunkelheit ließen die Kilometeranzeige auf dem Tacho stillstehen. Die alte Regel: „Die letzten Kilometer sind immer die härtesten, egal wie weit man fährt“ bewahrheitete sich erneut. Aber nach dem letzten Ruck rollte ich dann doch wieder ganz entspannt zu Hause ein.
Das Ergebnis
Nach der Dusche und auf den Pizzalieferdienst wartend schaute ich mir die nackten Zahlen an: 185 Kilometer mit 1.500 Höhenmetern bei einer Gesamtdauer von neun Stunden und 48 Minuten und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25,2 Kilometern pro Stunde waren das Ergebnis meiner Orbit360 Ride For A Reason Challenge. 24 Stunden vorher saß ich genau an der gleichen Stelle wie jetzt und stellte mir die Frage: Ist es das wirklich wert? An diesem Abend konnte ich ganz eindeutig antworten: Ja, auf jeden Fall.
Übrigens: Mehr spannende #rideFAR-Stories gibt’s hier.