Terra heißen bei Orbea schon seit langer Zeit die Rennräder, die keine Angst vor Geländeeinsatz haben. Katharina Nash hat auf einem Terra (natürlich mit Cantileverbremsen!) vor zehn Jahren schon den CX-Weltcup aufgemischt, bis das Modell 2016 als Gravelbike neu geboren wurde. Fünf Jahre später kündigt Orbea die Neuauflage an und wir schauen genau hin: Was ist neu? Denn während man 2016 noch einfach von einem Gravelbike sprechen konnte, müssen wir heutzutage schon genauer klassifizieren: Ist das neue Terra ein Schotterflitzer mit Rennradcharakter oder ein Werkzeug fürs Grobe mit Mountainbike-Reifen und Geweihlenker?
Optik
First things first: Wie sieht das neue Terra aus? Das 2016er-Modell punktete noch mit dem Look eines klassischen Rennrades. Sein kennzeichnendes Merkmal war das horizontale Oberrohr, das nahtlos in filigrane Sattelstreben überging. Damit ist Schluss: Um mehr Flex in der Sattelstütze zu ermöglichen, fällt das Oberrohr nun deutlich ab. Trotzdem bleibt der Look, gerade im Vergleich zu abenteuerlicheren Experimenten im Gravelbike-Sektor, noch sehr klassisch und elegant.
Auch am vorderen Ende des Rades hat sich einiges getan. Die Gabel sieht komplett anders aus, obwohl sich an ihrer Funktionsweise nichts geändert hat. Durch eine hohe Bauweise kann ihr unterer Teil mehr flexen und dadurch Vibrationen herausfiltern.
Geometrie
Gravelbikes haben viel von Mountainbikes geklautlernt, nicht nur die breiten Reifen und die Scheibenbremsen. Beim Terra machten sich diese Einflüsse schon vor fünf Jahren in Form eines für Rennräder sehr flachen Steuerrohrwinkels von 70,5 Grad bemerkbar. Die Neuauflage bekommt größenspezifische Steuerrohrwinkel spendiert, die alle weiterhin am flacheren Ende des Spektrums für Gravelbikes angesiedelt sind. Dazu kommt ein minimal längerer Reach (gepaart mit kürzeren Vorbauten) und ein deutlich erhöhter Stack. Man darf also mit Fug und Recht davon ausgehen, dass man auf dem neuen Terra über alle Größen hinweg etwas aufrechter sitzt als auf dem Vorgänger.
Die erweiterte Reifenfreiheit kommt dem Komfort ebenfalls zugute. 45 Millimeter auf 28“ und 50 Millimeter auf 27,5″ passen jetzt durch Gabel und Hinterbau. Mit Schutzblechen verringert sich die Freiheit auf 35 Millimter (was sehr konservativ geschätzt sein dürfte).
Bikepacking
Wer Gravelbike sagt, meint oft genug auch Bikepacking. Orbea selbst spricht in Zusammenhang mit dem Terra von „Bikepacking light“ und verzichtet darauf, das gesamte Rad mit Ösen und Befestigungsschrauben zu übersäen. Mehr als drei Flaschenhalter (und Schutzbleche) kannst du nicht an das Rad schrauben. Dafür ist unter dem Flaschenhalter im Unterrohr wie schon im Endurobike Rallon ein „Lockr“ genannter Stauraum versteckt, der für Ersatzschlauch und Werkzeug locker ausreicht. Reicht das für tagelange Ausflüge durch die Wüste? Nein. Aber wie oft machst du tagelange Ausflüge durch die Wüste? Eben.
Cockpit
Geometrie, Reifen und Bremsen des Terras mögen von Mountainbikes inspiriert sein, das Cockpit kommt aus der entgegengesetzten Ecke des Fahrrad-Designs: vom Aero-Renner. Dort sparen intern verlegte Leitungen durch Lenker, Vorbau und oberes Steuerlager eine Handvoll Watt, am Terra erleichtert diese Art der Zugverlegung die Anbringung von Lenkertaschen ganz erheblich. Das von Orbea verwendete System schont Nerven und Geldbeutel, denn die Züge werden nicht komplett intern geführt. Der Vorbau ist außerdem kompatibel mit handelsüblichen Lenkern, einem Umbau auf deinen Lieblingslenker steht also nichts im Weg. Im Austausch für die Vorteile musst du den deutlich komplizierteren Austausch des oberen Steuersatzlagers in Kauf nehmen, für den alle Leitungen und Züge gekappt werden müssen. Aber wie oft ist diese Prozedur wirklich notwendig?
Das Terra ist nicht zu einem Gravelbike der Extreme mutiert. Durch die subtil angepasste Geometrie und pfiffige Detaillösungen ist es aber gerade deswegen die perfekte Wahl für (fast) alle, die auf Schotter flott unterwegs sein möchten.