Ein Fahrradschlauch gehört zu den Parts am Bike, von denen man im besten Fall gar nichts mitbekommt. Möglichst pannensicher soll er sein, dabei einfach in der Handhabung und natürlich superleicht. Schwalbe verspricht mit den neuen Aerothan-Schläuchen Bestnoten in allen Disziplinen. Wir haben uns die edlen Hightech-Teile einmal genauer angesehen und die Neuheit zum Anlass genommen, die unterschiedlichen Materialien sowie ein Tubeless-Setup miteinander zu vergleichen.
Die Revolution des Fahrradschlauchs? Mit seinem Aerothan hat Schwalbe einen neuen, superleichten Hightech-Schlauch im Portfolio Tubolito bietet schon seit längerer Zeit einen superleichten Schlauch aus Hightech-Kunststoff an. Im Unterschied zu Schwalbes Aerothan sind Mountainbikeschläuche von Tubolito nur für Scheibenbremsen zugelassen.
Ende des 19. Jahrhunderts schlug die Geburtsstunde des Fahrradreifens, wie wir ihn kennen: Das Prinzip des Reifens mit innenliegendem Schlauch kam zuerst in einer DIY-Version am Dreirad vom Sohn eines gewissen John Boyd Dunlop zum Einsatz, damit dieser auf dem Kopfsteinpflaster nicht mehr so sehr durchgerüttelt wurde. Édouard Michelin entwickelte nach dem gleichen Prinzip den ersten Gummireifen mit Luftschlauch für Fahrräder. Die Vulkanisation des Kautschuks sowie das Gummi für die Reifen wurden bereits rund ein halbes Jahrhundert zuvor von Charles Goodyear erfunden. Das Ergebnis jedenfalls war bahnbrechend und sorgte für eine neue Dimension in Sachen Effizienz und Komfort am Fahrrad – und im Prinzip funktionieren Fahrradreifen mit Schlauch heute noch genauso.
Schwalbe präsentierte kürzlich den Aerothan und stellt selbst die Frage: Ist das noch ein Fahrradschlauch? Zweifelsohne hat dieser Schlauch nicht mehr viel damit zu tun, was die Herren Michelin und Dunlop einst zusammen tüftelten. Aber ist Aerothan wirklich ein Fahrradschlauch der neuen Generation? Wir wollten es einmal genau wissen und haben uns alle derzeit auf dem Markt befindlichen Schlauchsorten genauer angeschaut. Im Folgenden wollen wir die unterschiedlichen Varianten miteinander vergleichen und die Vor- und Nachteile herausarbeiten. Außerdem werfen wir einen Blick auf die eigentliche „Revolution“ in Sachen Fahrradreifen: Seit einigen Jahren sind Tubeless-Reifen, also Reifen ganz ohne Schlauch, immer mehr im Kommen. Am Ende dieses Beitrags kannst du selbst entscheiden, welches System für dich das richtige ist.
Thermoplast (speziell: der neue Schwalbe Aerothan-Schlauch)
Beginnen wir mit der Neuheit aus dem Bergischen Land. Und stellen wir zunächst einmal fest: Schwalbe hat damit nicht das Rad, beziehungsweise den Schlauch, neu erfunden. Denn grundsätzlich ist die Basis des neuen Superschlauchs ein thermoplastisches Polyurethan, also ein Kunststoff. Ähnliches gibt es bereits zum Beispiel von Tubolito. Grundsätzlich haben derartige Schläuche viele Vorteile: Sie sind superleicht, superpannensicher und superluftdicht. Leider sind sie auch superteuer – Aerothan macht diesbezüglich keine Ausnahme. Doch im praktischen Einsatz spricht einiges für die Verwendung eines solchen Hightech-Schlauchs.
Stell dir zum Beispiel vor, du gehst auf Bikepacking-Reise. Beim Packen kommt es auf jeden Zentimeter und jedes Gramm an, denn deine Bikepacking-Taschen bieten nur wenig Platz und du möchtest möglichst wenig Gewicht durch die Gegend fahren. Nun ist es eine einfache Rechnung: Schwalbes Aerothan-Schläuche wiegen weniger als die Hälfte eines herkömmlichen Schlauchs und sind unaufgepumpt wesentlich kleiner. Auf diese Weise kannst du viel Platz und Gewicht sparen oder entsprechend mehr Ersatzschläuche mitnehmen und das sind definitiv zwei große Vorteile. Das Gewicht ist auch für den sportlichen Einsatz ein großer Pluspunkt.
Hinzu kommt eine sehr einfache Handhabung. Unterwegs kannst du den Schlauch im Falle einer Panne supereinfach – per mitgelieferten Reparatur-Patches – „flicken“. Die Reifenmontage verläuft ebenfalls viel einfacher: Die Schläuche „flutschen“ spürbar in den Reifen, ein eingeklemmter Schlauch ist nahezu ausgeschlossen. Wir haben das alles bereits ausgiebig getestet und sind wirklich begeistert von der guten Handhabung der Aerothan-Schläuche.
Neben den zahlreichen Vorteilen, von der hohen Pannensicherheit bis zum geringen Gewicht und der guten Handhabung, sind Schwalbes Aerothan Schläuche „made in Germany“ und lassen sich zu 100 Prozent recyclen – ebenfalls zwei bemerkenswerte Pluspunkte. Was bleibt, ist der hohe Preis. Und da ist es völlig legitim, wenn du dir gründlich überlegst, ob es dir das wert ist.
Butyl
Schon die Urväter des Fahrradschlauchs hantierten mit Kautschuk. Butyl ist eine chemisch weiterentwickelte Form davon. Ein durchaus bewährtes Prinzip also, das auch heute noch funktioniert. Und weil diese Technik und die Herstellungsprozesse so bewährt sind, haben Butylschläuche einen wunderbaren Vorteil: Sie sind mit Abstand die preiswerteste Lösung, die es gibt. Butylschläuche sind in der Regel für deutlich unter zehn Euro zu haben, sodass du dich nicht zu sehr zu ärgern brauchst, wenn du mal wieder einen Platten hast. Apropos: Das kann dir, zumindest theoretisch, mit einem Butylschlauch häufiger passieren, denn die etwas größere Pannenanfälligkeit ist einer ihrer Nachteile. Ein weiterer ist das höhere Gewicht, was insbesondere bei dicken Mountainbike-Reifen umso mehr zum Tragen kommt. Gerade bei Rennradschläuchen sind die Unterschiede zu den Alternativen aber oft gar nicht so groß. Der leichte Continental „Race 28“ wiegt 65 Gramm – Schwalbes Aerothan ist mit rund 50 Gramm gar nicht so viel leichter.
Wenn dir leichte Abstriche in Sachen Gewicht, Handhabung und Pannensicherheit nichts ausmachen, bekommst du mit Butylschläuchen ein ausgereiftes und vor allem unschlagbar günstiges Produkt.
Latex
Latex basiert ebenfalls auf Naturkautschuk, aufgrund einer anderen Zusammensetzung und Weiterverarbeitung ergeben sich aber Eigenschaften, die sich deutlich vom herkömmlichen Butylschlauch unterscheiden. Im Wesentlichen bieten Latexschläuche drei Vorteile: Weil das Material sehr elastisch ist, sind Latexschläuche in der Regel pannensicherer. Zudem ist das Abrollverhalten besser, weil die Reibung zwischen Reifen und Schlauch geringer ist. In der Regel sind Latexschläuche auch leichter als Butylschläuche. Das klingt erstmal alles gut, leider gibt es aber auch Nachteile. Latexschläuche verlieren relativ schnell die Luft, was bedeutet, dass du öfter mal nachpumpen musst. Praktisch bedeutet das einen Luftcheck und gegebenenfalls Nachpumpen vor jeder Fahrt. Nachteil Nummer zwei: Latex ist sehr empfindlich gegenüber Öl, Hitze oder Tageslicht. Außerdem dehnt es sich sehr ungleichmäßig aus. Diese Empfindlichkeit bringt mit sich, dass du bei einem Reifenwechsel unbedingt auch den Schlauch wechseln solltest.
Wenn du einen relativ pannensicheren und leichten Schlauch suchst, der nicht die Welt kostet, kann Latex das Material deiner Wahl sein. Regelmäßiges Nachpumpen gehört aber dazu. Latexschläuche sind nicht für dich geeignet, wenn du ein langlebiges Rundum-Sorglos-Paket suchst.
Tubeless – ganz ohne Schlauch?!
Tubeless-Bereifung hat sich in den letzten Jahren zu einer echten Alternative zum guten, alten Fahrradschlauch entwickelt. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Kein Schlauch bedeutet auch keine Reibung zwischen Schlauch und Reifen, was einen sehr geringen Rollwiderstand bewirkt. Durch den fehlenden Schlauch brauchst du auch keine Angst mehr vor Durchschlägen zu haben und kannst niedrigeren Luftdruck fahren. Auch dadurch sinkt dein Rollwiderstand, auch am Rennrad! Daher kannst du mit Tubelessreifen von höherem Komfort und mehr Grip profitieren, was natürlich insbesondere an Mountainbikes ein großes Plus darstellt. Last but not least bieten Tubeless-Systeme enorm hohe Pannensicherheit. Durch die Dichtflüssigkeit im Reifen werden selbst komplette Durchstöße des Reifens von zum Beispiel Dornen schon während der Fahrt abgedichtet.
So weit, so gut. Doch es wäre zu schön, um wahr zu sein, oder etwa nicht? Wir sind wirklich ein Fan von tubeless, aber wir wollen auch ehrlich sein. Drücken wir es einmal so aus: Ein sauber montiertes, neues Tubeless System, an dem alles optimal zusammenpasst, kann die perfekte Lösung sein und dir über lange Zeit alle oben beschriebenen Vorteile bieten. Leider kann es aber in der Praxis auch zu Problemen kommen. Manche Tubeless-Reifen lassen sich sehr schwer aufziehen oder wollen einfach nicht luftdicht mit der Felge abschließen. Gerade am Anfang, wenn du noch keine Routine hast, kann das Hantieren mit der Dichtflüssigkeit auch eine kleine Sauerei sein. Apropos Montage: Hierfür lohnt die Anschaffung eines sogenannten Boosters, der den Reifen nicht stoßweise, sondern explosionsartig mit Luft befüllt. Geht dir unterwegs die Luft aus, kannst du mit kleinen Gummiwürsten in der Regel schnell flicken. Einen Ersatzschlauch brauchst du nur bei wirklcih massiven Schnitten. Tubeless-Systeme brauchen auch ungefähr alle drei Monate ein bisschen Liebe, weil die Dichtflüssigkeit mit der Zeit austrocknet.
Tubeless-Systeme bieten eine Reihe von Vorteilen und haben im Vergleich zum Schlauch in einigen Disziplinen die Nase vorn. Ihre Handhabung ist allerdings deutlich anders und setzt voraus, dass du Lust hast, dich damit auseinanderzusetzen. Mit einer gewissen Routine machen Tubeless-Systeme aber viel Spaß und sind vor allem dann sinnvoll, wenn es um höchste Performance geht. Wenn dir schon das Wechseln eines Fahrradschlauchs zu viel ist, dann ist tubeless sicherlich nicht das richtige System für dich.