Die Trails zuhause haben einen besonderen Stellenwert, egal wie oft uns Mountainbiker das Fernweh packt. Nicht jeder von uns hat so einen traumhaften Bike-Spielplatz vor der Haustür, wie Sönke aus Freiburg im Breisgau. Aber die besondere Mischung aus Heimatgefühl, Alltagsflucht und Workout kennt sicher jeder Mountainbiker.
Sönke nahm uns auf eine seiner Lieblingsrunden mit. Als langjähriger Racer hat er bereits einige der spektakulärsten Bike-Reviere auf diesem Planeten unter die Stollen genommen. Trotz Teilnahmen am BC-Bike Race in Kanada, dem Cape Epic in Südafrika und vielem mehr hält er ein flammendes Plädoyer für seine Hometrails am Feldberg. Darin können sich gerade dieser Tage vermutlich viele von uns wiederfinden. Viel Spaß mit dieser Liebeserklärung ans Mountainbiken, den tollen Bildern und – vor allem – genießt eure eigenen Hometrails.
Kraft tanken im Schwarzwald
Mein Schwarzwald, meine Heimat! Ich verbinde mit den Orten hier Geschichten. Geschichten, die ich erzählt bekam, und solche, die ich selbst erlebt habe. Hier finde ich Ruhe, Einsamkeit, Ursprünglichkeit. Der dunkle Wald lässt mich Kraft tanken. Kraft, die ich im Alltag benötige. Mit dem Bike habe ich diese Heimat kennen und lieben gelernt. Untrennbar verbunden sind damit Erinnerungen und Menschen, die mein Leben prägen. Der Schwarzwald hat viele Gesichter. Er ist charakterstark. Er ist rau, ungezähmt, lieblich und warm zugleich. Diese Intensität, diese Vielfalt treibt mich fast täglich aufs Bike. Abends gehe ich mit frischen Eindrücken zufrieden ins Bett. Morgens lässt mich die Vorfreude lächeln – auf die nächste Runde im Wald.
Ich profitiere von einer starken Bike-Bewegung in Freiburg. Mountainbiken ist in hier fest verankert und begleitet auch mich schon von Kindesbeinen. 1992 war ich in Kirchzarten Zuschauer vom MTB Worldcup und drei Jahre später bei der Weltmeisterschaft. Mittlerweile haben wir hier viele legale und teilweise sehr anspruchsvolle Trails. Dank der Hilfe von kanadischen Trailbuildern hat der Mountainbike Freiburg e.V. diese Region zu einem der Topspots für uns Mountainbiker gemacht.
An einem guten Tag verbringe ich mehr als drei Stunden im Wald. Ich gehe „spielen“. Ich vergesse dabei den Alltag und befinde mich ganz im Moment. Das Bike pushe ich über die Trails und versuche dabei meine Grenzen auszuloten. Bin ich kopfmüde von der Arbeit, dann brauche ich leichtes Gelände, das mir nicht so viel Konzentration abverlangt.
Wie in einem Märchenbuch wirken manche moosbedeckten Waldpassagen und zwingen auch gute Fahrer ab und an vom Bike.
Aber bin ich ausgeruht, fange ich an zu fliegen. Meine Beine drehen problemlos die Berge hoch und ich spüre keine Schmerzen. Bergab werden die Reifen punktgenau in der Falllinie platziert. Es läuft! Nicht auf jeder Ausfahrt läuft so gut, aber jede Ausfahrt zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Auf dem Bike entfalte ich eine unglaubliche Energie. Motiviert nur durch meinen Atem, der mit jedem Höhenmeter lauter wird, treibe ich mich auf die höchsten Gipfel im Schwarzwald und befinde mich schließlich im Wilhelmer Tal knapp unterhalb des Feldbergs wieder. Die Sonne steht tief, hat aber genügend Kraft, um meinen Schweiß verdunsten zu lassen. Es ist schon verrückt, dass ich immer noch Spaß auf den gleichen Wegen habe, die ich schon damals als kleiner Bub entlanggewandert bin. Gerne teile ich solche Augenblicke mit Freunden. Ich bin sicher, es sind diese Momente, auf die ich später gerne zurückblicken werde. Jetzt versuche ich, so viele Erinnerungen wie möglich auf mein „Haben-Konto“ zu laden.
Der Blick schweift über das Wiesental bis hin zum Herzogenhorn. Hier bildet sich jeden Winter eine massive Wechte, an der häufig Lawinen abgehen, teilweise mit verheerenden Folgen. Aber jetzt ist der Winter in weiter Ferne. Vielleicht schaffe ich es morgen über den Grafenmatt zum Herzogenhorn. Wenn ich den Alltag gut meistern will, dann muss mein Akku geladen werden. Das passiert, wenn ich mich in den Bergen austobe – so widersprüchlich das auch klingt.
Wenn ich den Alltag gut meistern will, dann muss mein Akku geladen werden. Das passiert, wenn ich mich in den Bergen austobe – so widersprüchlich das auch klingt.
Beim Biken erlebe ich Hochs und Tiefs. Ich meistere anspruchsvolle Situationen, muss aber auch Niederlagen akzeptieren. Ich bewege mich in einer Welt, in der ich alle Entscheidungen treffe, und das nur für mich. Ich weiß, dieser Spielplatz vor der Haustür ist ein echtes Privileg. Ich investiere viel für solche Momente, meistens Zeit, die ich woanders einsparen muss. Doch das ist es wert.