Der Continental Grand Prix 4000 SII zählte über viele Jahre als das Maß der Dinge bei Rennradreifen. Manche nannten ihn den „Standard vom Standard“, andere eine Allzweckwaffe. Die gefühlte Wahrheit ist, dass wohl kein anderer Reifen im Rennraduniversum so oft über die Ladentheke ging wie der Grand Prix 4000 SII. Trotzdem fragte sich die Rennrad-Gemeinde aber, wann endlich die lang erwartete nächste Auflage kommt. Seit ein paar Monaten ist nun klar: Der Grand Prix 5000 ist der offizielle Nachfolger und neben der höheren Zahl im Namen gibt es haufenweise weitere Neuerungen. Wir haben gleich zwei davon getestet: Die Tubelessversion in satten 32 Millimeter Breite.
Der neue Standard
Als wir uns Ende letzten Jahres auf den Weg nach Teneriffa machten, war uns klar, dass Continental etwas ganz Großes vorstellen wird. Alle fachkundigen Anwesenden waren gleichermaßen aufgeregt und aufgewühlt, als die Mitarbeiter von Continental endlich die Katze aus dem Sack ließen: Der Grand Prix 5000 ist da und er hat einiges mehr zu bieten als sein Vorgänger. Die Entwickler und zuständigen Ingenieure waren sichtlich stolz auf ihr neues Produkt. Naturgemäß geht man als Rennradfahrer immer erst einmal skeptisch mit Neuerungen um. So ging es uns auch. Kann der neue Reifen wirklich so viel besser sein, als der sowieso schon unglaublich gute GP4000 SII?
National und international wurde seit dem Erscheinen des Continental Grand Prix 5000 viel über diesen Reifen geschrieben und getestet. Allerdings beziehen sich die fast ausschließlich positiven Meinungen und Kritiken vor allem auf die Version mit Schlauch sowie auf die Standardbreite von 25 mm. Wir wollen daher unser Augenmerk auf die Neuerungen legen und einen besonderen Test wagen: Was und wofür taugt der Grand Prix 5000 in der breitesten Variante (32 mm)? Spürt man überhaupt einen Unterschied zwischen der Tubelessversion und der mit Schlauch? Und sind die Unterschiede zum Vorgänger wirklich so gravierend? In unterschiedlichen Testszenarien haben wir diese Fragen untersucht und Beeindruckendes zu Tage gefördert. Da der Preis (UVP) im obersten Segment bei Rennradreifen liegt, haben wir uns ebenfalls gefragt, ob man für sein Geld auch die entsprechende Leistung bekommt.
Vergleich zum Grand Prix 4000 SII
Der neue Standard ist logischerweise zu messen am bisherigen. Neben der neu eingeführten Breite von 32 mm, den Tubeless-Varianten und einer 650B-Version des Reifens ist vor allem der Pannenschutz, die Performance (gemessen am Rollwiderstand) und der Komfort im Vergleich zum Vorgänger gestiegen. Außerdem soll der Reifen auch noch weniger wiegen. In Zahlen sieht der Vergleich dann so aus: 12 Prozent weniger Rollwiderstand, 20 Prozent mehr Pannensicherheit, 10 Gramm leichter (bei 25 mm Breite).
Außerdem haben verschiedene neue Continental-Technologien beim Grand Prix 5000 Einzug gehalten. Lazer Grip soll für mehr Haftung sorgen, Black Chili Compound bringt längere Laufleistung und mehr Grip, Vectran Breaker sorgt für mehr Pannenschutz und die Active Comfort Technology macht das Fahrgefühl geschmeidiger. Das Design des neuen Reifens ist indes fast gleich geblieben. Die markanten und aerodynamisch vorteilhaften länglichen Rillen, die an Haifischflossen erinnern, existieren weiterhin. Der Schulterbereich des Pneus soll damit auch weiterhin mehr Grip bei starker Schieflage bieten. Eine kleine 5000 als Zierelement wurde neu eingearbeitet.
Montage und Setup
Wie bereits angekündigt war unser Plan, vor allem die beiden prägnantesten Neuerungen unter die Lupe zu nehmen. Dabei wollten wir untersuchen, ob der Conti Grand Prix 5000 in 32 mm Breite noch als Rennradreifen durchgeht. Das testeten wir bei einer klassischen Radtourenfahrt mit ein paar anderen Rennradler*innen. Darüber hinaus bot es sich mit der breitesten Version in der Tubeless-Variante natürlich an, mal ein wenig Luft aus den Reifen zu lassen und zu sehen, wie der Reifen auf gröberen Untergründen zurechtkommt. Sicher ist der Grand Prix 5000 ein Reifen für die Straße, aber wäre es nicht genial, auch mal in den Wald abbiegen zu können? Deswegen entschieden wir uns, den Reifen an einem Gravelbike zu montieren. Das bietet genug Platz und auch die notwendige Robustheit, um den Pneu wirklich auf Herz und Nieren zu testen.
Die Montage war zugegebenermaßen relativ anstrengend. Um die erste Hälfte auf die Felge zu wuchten, benötigten wir schon ein wenig Mühe. Am Ende sitzt der Reifen aber flugs und straff auf der Felge. Insgesamt benötigt die Montage etwas Kraftaufwand und Nachdruck, aber mit ein wenig Übung ist es kein Problem. Der zweite Reifen ging dann auch schon deutlich besser, da wir ungefähr wussten, wo wir ansetzen müssen. Dichtmilch füllten wir natürlich ebenfalls noch ein. Mit einer ganz einfachen Standpumpe sprangen beide Reifen sofort ins Felgenbett. Das spricht für Qualität und hat uns gefreut.
Der Test
Als wir die Grand Prix 5000 montiert und aufgepumpt hatten, fiel uns zuerst auf, wie voluminös der Reifen auf den Gravel-Felgen wirkte. Die alte Regel, dass die Maulbreite der Felge (in unserem Fall 23 mm), die tatsächliche Reifenbreite mitbestimmt, trifft hier absolut zu. Bevor es auf große Tour ging, fuhren wir den Reifen erst einmal ein paar Kilometer zur Probe. Vor der kleinen 35-Kilometer-Feierabendrunde pumpten wir fünf bar auf, bis sechs wäre laut Continental bei unserem 32er „TL“ möglich. Die erste Runde fühlte sich ungewohnt komfortabel an, als schwebten wir über den Asphalt. Die Breite und der relativ geringe Luftdruck machten sich durchaus bemerkbar. Trotzdem war die Geschwindigkeit nur unwesentlich geringer als sonst. Lediglich beim Hügel-Wegdrücken und bei sehr kurzen Sprints kam das Gefühl auf, ein wenig träger als mit dünneren Reifen unterwegs zu sein. Da der Anwendungsfall für unser Setup aber eher keine Berg-Sprints sind, sondern vor allem lange Touren auf gemischten Untergründen, planten wir auf Komoot eine Tagestour mit verschiedenen Straßenverhältnissen und Bodenbeschaffenheiten.
Sieht auf den ersten Blick schon relativ breit aus, aber daran hat man sich schnell gewöhnt Der Vergleich zeigt deutlich: Die Felge hat einen maßgeblichen Einfluss auf die wirkliche Breite des Reifens. Links eine Felge mit 23 mm Maulbreite (Stan’s Notubes Crest Mk3), rechts Rennradfelge mit 18 mm Maulbreite (Mavic Aksium)
Zu Beginn ging es wie gewohnt fluffig über geteerte Radwanderwege. Da wir im Kopf auf Touren-Modus geschaltet hatten, fühlten sich die ersten 30 Kilometer an, als cruisten wir durch die Gegend. Erste wichtige Erkenntnis: Kopfsteinpflasterabschnitte verlieren komplett ihren Schrecken. Am ersten Berg wollten wir mal sehen, wie sich der Grand Prix 5000 anfühlt, wenn man sportlich fährt. Oben angekommen, waren wir verblüfft, dass es sich nicht träge und schwerfällig anfühlte, sondern eher kontrolliert. Die Agilität beim Antritt fehlte zwar etwas, aber als wir richtig in Schwung waren und zum Wiegetritt übergingen, machten die Reifen einen absolut dynamischen Eindruck. Den Titel „King of the Mountain“ konnten wir natürlich angesichts unseres Gravelbikes mit breiten Felgen nicht holen. Aber dafür waren wir am Ende des Tages nach 160 Kilometern und 2000 Höhenmetern auch kaum ermüdet. Die vielen kleinen Schläge, die der Reifen für uns abgefangen hatte, ließen uns fast entspannt vom Rad steigen. Besonders genial waren die Offroad-Passagen der Strecke, da sie zum einen Abwechslung boten und uns außerdem an Orte führten, die wir mit schmalen Reifen niemals so leicht erreicht hätten.
Da wir wissen wollten, wie weit wir mit den Grand Prix 5000 gehen können, ließen wir noch ein paar Bar entweichen und machten uns auf die Suche nach dem richtigen Offroad-Abenteuer. Wir stellten uns die Frage, ob man mit dem Reifen neben glatten Feldwegen auch gröbere Schotterpisten beackern kann. Oder sogar Singletrails? Zuerst tasteten wir uns auf Feldwegen an die Sache heran. Mit ungefähr drei Bar hatten wir für diesen Anwendungsfall genug Komfort und Grip. Die nächste Stufe waren holprige Feldwege mit teils schroffem und losem Schotter. Auch hier kamen wir richtig gut und vor allem ohne einen platten Reifen durch. Allerdings war bei Kurven Vorsicht geboten. Denn durch die fehlenden Stollen hatten wir das Gefühl, auf sehr losem Untergrund recht schnell wegzurutschen. Zuletzt lenkten wir den Reifen dann noch über ein paar Singletrails. Diese fuhren sich erstaunlich entspannt. Wir hatten zu jeder Zeit das Gefühl, genug Kontrolle über uns und das Rad zu haben. Sicher lag es auch daran, dass es ziemlich festgefahrene Trails ohne übermäßiges Geröll waren, aber immerhin ist der Reifen offenbar robust genug für gelegentliche Offroad-Abstecher.
Vergleich Clincher vs. Tubeless
Zuletzt soll noch untersucht werden, ob nun die Tubeless-Variante einen wirklichen Vorteil bringt. Während im Mountainbike-Universum das Konzept Tubeless schon vollkommen verankert ist, tun sich viele Rennradler*innen noch schwer, die Vorteile für sich zu sehen. Auf dem Papier steht, dass ohne Schlauch noch einmal fünf Prozent bessere Performance in Pannensicherheit und Rollwiderstand hinzukommen. Aber merkt man den Unterschied beim Fahren auch wirklich? Nach unzähligen Tubeless-Testkilometern bauten wir also um. Für den besseren Vergleich behielten wir das komplette Setup (Fahrrad und Laufräder) bei. Die Montage war in der Clincher-Variante auf jeden Fall ein wenig leichter als bei der Tubeless-Version. Bei der Demontage der Tubeless-Reifen fiel uns auf, dass sie sehr viel einfacher von der Felge runter gingen – offenbar hatten sie sich nach den vielen Testkilometern etwas gedehnt.
Erster wichtiger Unterschied beim Clincher-Setup: Der Luftdruck ist nicht so variabel. Während man in der Tubeless-Version locker mit nur drei Bar fahren kann (abhängig vom Fahrer*innengewicht), würden wir beim Clincher nicht auf zu wenig Druck setzen, um einen Durchschlag (Snakebite) zu vermeiden. Auch der vorgegebene maximale Luftdruck unterscheidet sich. Beim Clincher sind bis zu sieben Bar zugelassen, bei der Tubeless-Variante maximal sechs. Aber wie ist das Fahrgefühl im direkten Vergleich? Es unterscheidet sich tatsächlich. Natürlich ergibt sich kein komplett neues Fahrgefühl, aber eben ein spürbar anderes. Das Lenkverhalten ist ein wenig unpräziser, die Beschleunigung etwas träger und in den Kurven schmiegen sich die schlauchlosen Reifen ein bisschen besser an den Boden. Die Unterschiede sind für uns in einem Grad wahrnehmbar, dass sich insgesamt mit der Tubeless-Version ein runderes Fahrvergnügen ergibt. Dazu kommt natürlich noch die höhere Pannensicherheit, vor allem bedingt durch den Einsatz von Dichtmilch. Aber auch in der Schlauchversion bleibt der Continental Grand Prix 5000 ein genialer Reifen, welcher uns komfortabel und pannenfrei über viele Wege führte. Hinzu kommt der geringere Anschaffungspreis, welcher für die Clincher-Version spricht und natürlich das (für die meisten Fahrer*innen) vertrautere System.
Der Continental Grand Prix 5000 in 32 mm ist ein Reifen, mit dem man fast alles machen kann, was auf modernen (Endurance-) Rennrädern möglich ist. In der Tubeless-Variante ergibt sich neben langen Touren auch die Einsatzmöglichkeit für Feld- und Schotterwege. Zwar ist der Reifen bei Sprints weniger agil als seine schmaleren Varianten, dafür bietet er unheimlich viel Komfort. In Sachen Pannensicherheit, Gewicht und Rollwiderstand konnte der Grand Prix 5000 im Vergleich zu seinem Vorgänger tatsächlich noch um Einiges zulegen. Die Tubeless-Variante gefällt uns insgesamt sogar noch einen Tick besser. Ob sich ein Umrüsten allerdings lohnt, muss jede*r für sich entscheiden. Ohne Frage untermauert der Continental Grand Prix 5000 seinen Titel als Allzweckwaffe, besonders durch die neuen Tubeless-Varianten. Der Continental Grand Prix 5000 ist und bleibt das Maß der Dinge, legt die Messlatte sogar noch ein Stück höher, und ist seinen Preis absolut wert.