Dieses Wochenende steht auf Hawaii wieder das größte Spektakel an, das Triathlon zu bieten hat: die Ironman Weltmeisterschaften. Für dieses Rennen haben nicht nur die absolute Weltelite, sondern auch über 2000 andere Athlet*innen ein ganzes Jahr trainiert. Die schnellsten von ihnen werden gute acht Stunden nach dem Startschuss im Ziel einlaufen, die langsamsten brauchen doppelt so lange. Unser Autor hat aufgeschrieben, wie es ihm bei seinem ersten Langdistanztriathlon ging.
Nüchtern betrachtet bin ich innerhalb von gut 11 Stunden und 40 Minuten zuerst 3,8 Kilometer geschwommen, anschließend 180 Kilometer Fahrrad gefahren und zuletzt einen Marathon, also 42,2 Kilometer, gelaufen und – zugegebenermaßen – auch gegangen. Ein wenig emotionaler betrachtet war es der Abschluss einer zehn Monate andauernden Herausforderung. Es war nicht irgendeine Challenge, es war meine Challenge Roth.
Im Familienurlaub in Dänemark saß ich montagmorgens alleine im Schlafzimmer, während alle anderen frühstückten. Ich konzentrierte mich. Wieder der Blick auf die Uhr. Dann, um genau 9.59 Uhr aktualisierte ich die Seite der Challenge Roth zum gefühlt sechzigsten Mal, dann musste es schnell gehen. Name, Adresse, Verein, geschätzte Ankunftszeit (Woher ich das jetzt, genau ein Jahr vorher, wissen sollte? Absolut unklar!) und andere Daten hämmerte ich, so schnell es die zittrigen Hände zuließen, in die Tastatur. Um 10.06 Uhr bekam ich die Bestätigung: Ich war für die Challenge Roth 2018 angemeldet und musste 530 Euro überweisen. Die Miturlauber*innen konnten beiden Gegebenheiten nur ein müdes Lächeln abgewinnen.
1. November 2017. Mein erstes Training für die Challenge Roth war ein Lauf von zehn Kilometern in weniger als einer Stunde. Es folgten Tage, Wochen und Monate voll von Schweiß, erfrorenen Zehen, vor Chlor beißenden Augen aber auch viel, viel Freude und Energie.
Schneller als gedacht war es dann auch soweit. Ich stand am Zaun, an mir klebte der Neoprenanzug und ich sah den vor mir gestarteten Teilnehmern zu. Aus den zittrigen Händen der Anmeldung wurden zittrige Beine, die mich allerdings trotzdem sicher zum Einstieg geleiteten. Und dann ging es los. Vor den 3,8 Kilometern im Wasser hatte ich enorme Angst. Ich hatte drei mühselige Jahre damit zugebracht, mir das Kraulen beizubringen, eigentlich konnte ich es nun so langsam. Und tatsächlich lief es gar nicht so schlecht an. Ich heftete mich an die Fersen meines Vorausschwimmenden und die erste Wende war überraschend schnell erreicht. Dann verlor ich die Fersen meines Vordermannes und ein wenig leider auch den Drive. Trotzdem kam ich nach gut einer Stunde und 27 Minuten frohen Mutes aus dem Wasser. Meine Angstdisziplin war überstanden.
Schnell den Neo abgestreift und rauf aufs Rad. Ein wenig Angst hatte ich, dass ich erneut einen Platten wie am Morgen erfühlen musste, doch dies war zum Glück unbegründet. Strotzend vor Energie und Glück fegte ich um die ersten Kurven. Ich hatte genug Erfahrung und so stimmte mein Verstand schnell dafür, die Beine herunter zu regulieren. Auf Essen und Trinken war in den ersten 30 Kilometern der Fokus gerichtet. Ich überholte mehr als dass ich überholt wurde und gönnte mir nach 60 Kilometern eine Pinkel- und Streckpause. Dann kamen ein paar schwere Hügel und dann endlich der Solarer Berg.
Im Vorfeld hörte ich ständig von diesem einzigartigen und stimmungsvollsten aller Anstiege. „Du wirst Gänsehaut bekommen“ und „Dir werden Tränen in die Augen steigen“. Das waren die üblichen Prognosen für den Augenblick, an dem man sich fühlen sollte wie ein Fahrer bei der Tour de France. Wenn einem die Zuschauer*innen so nahe sind, dass man die Marke ihrer Sonnenbrillen ablesen kann. Es war wirklich ein magischer Augenblick und sowohl Gänsehaut als auch Tränen hatten ihren Auftritt.
Den Rest der ersten Runde freute ich mich auf den kurzen Augenblick, bei dem ich meine Angehörigen an der Strecke stehen sehen würde, ihnen zuwinken und mit ihnen abzuklatschen können würde.
Die zweite Runde tat wesentlich mehr weh als die erste. Meine Kräfte nahmen ebenso kontinuierlich ab wie die Zuschauer an der Strecke und zu allem Überfluss vergaß ich zwischendurch das Essen und die Gels in meiner Trinkflasche. Als ich für einen kurzen Boxenstopp auf einer Anhöhe hielt, erschrak ich. Die Geräusche, welche ich hinter mir vernahm, ließen nichts Gutes ahnen. Ich drehte mich ruckartig um und hatte Gewissheit: Ein anderer Teilnehmer stand mit seinem Rad am Wegesrand und aus seinem Gesicht fielen all die Gels, Riegel und Getränke der letzten sechs Stunden. Ich fühlte mit meinem Mitstreiter und merkte, wie gut es mir eigentlich ging, jedenfalls im direkten Vergleich.
Trotzdem waren die letzten 60 Kilometer ein echter Kraftakt; besonders die endlose, mit zehn Prozent beginnende Steigung zog die letzten dicken Reserven aus dem Radfahrtank. Ich ließ mich im Anschluss an diesen Berg zunehmend mehr rollen. Kurz vor Roth und der Wechselzone Nummer zwei stellte ich mir die Frage, wie es jetzt weitergehen sollte. Mein Nacken und mein Becken stellten sich genau dieselbe Frage. Ich ließ beim Wechsel vom Rad auf Schusters Rappen keine Hektik aufkommen und als ich wieder zu mir kam, stand da ein Schild am Rand. Ein Kilometer war darauf geschrieben und „Wir begleiten dich bis ins Ziel“. Also kamen nun noch 41 weitere Schilder. Ich staunte und sah auf meine Uhr. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Mit einem Puls von 147 lief ich eine Pace von 5:30. Die Kilometer purzelten und alles blieb stabil. Ich überholte viele Läufer*innen. Irgendwann änderte sich jedoch meine Wahrnehmung. Die Schilder kamen gefühlt in immer größeren Abständen, die Pace wurde langsamer und überholen war auch nicht mehr so einfach. Immerhin der Puls blieb stabil und senkte sich sogar etwas.
Von Anfang an hatte ich mir vorgenommen, niemals, unter keinen Umständen, stehen zu bleiben. Never. Bei der Versorgungsstation bei Kilometer 22 brach ich mit diesem Vorhaben. Ich blieb kurz stehen, nahm mir Reiskuchen, Cracker und Wasser und ging die nächsten 30 Sekunden. Das tat gut, richtig gut. Deswegen entschied ich dieses Prozedere an jeder Station durchzuführen. Nur nicht dazwischen! Die Scham des Gehens wurde immer vertrauter und als ich den Berg bei Kilometer 32 sah, war der Ofen aus. Ich ging, den gesamten Berg, bis ganz nach oben.
Natürlich war ich mir vorher darüber bewusst, dass es sehr, sehr hart werden würde, aber dort und in dieser Situation bezwangen meine Beine meinen Geist. Immerhin bergab lief ich wieder, bis auf wenige Ausnahmen. Es folgten die letzten drei Kilometer und der Wille, jetzt auf keinen Fall mehr anzuhalten oder zu gehen. Dies gelang mir und immer deutlicher realisierte ich, dass es gleich soweit sein würde. Mit der Anzahl der Zuschauer am Rand stiegen die Tränen in meinen Augen und dann lief ich ein.
Die Arena war – wie ich auf den Bildern danach sehen konnte – voll mit Menschen, von denen ich in diesem Moment jedoch rein gar nichts mitbekam. Ich war absolut bei mir.
Das Gefühl im Ziel war so wunderbar. Ich hatte es geschafft. Tatsächlich. Ich sah meine Lebenskameradin, wir fielen uns in die Arme und weinten gemeinsam. Denn auch für sie war es ein Erfolg, da sie mindestens ebenso viel Zeit und Kraft investiert hatte wie ich.
Ich zog sofort das Finisher-Shirt über, aß Brötchen vom Buffet und war unfassbar zufrieden. Kurz darauf wurde mir eine Frage gestellt, welche ich in den Tagen danach noch öfter hören sollte: „Hat sich der ganze Aufwand denn gelohnt?“ Darüber musste ich keine Sekunde nachdenken. Ich lächelte und sagte einfach: „Ja, in jedem Fall.“
Meine Must-Have-Liste
Schwimmen:
Der Unterschied, ob man mit oder ohne Neoprenanzug schwimmt, ist enorm. Geschwindigkeit, Wassergefühl und Wohlfühlfaktor steigen bei mir mit dem Tragen eines Neos. Grundsätzlich ist aber jeder Trisuit schon besser als Lösungen, für die du dich zwei mal komplett umziehen musst.
Radfahren:
Neben dem Rad ist die Verpflegung das Wichtigste. Für mich besteht die beste Kombination aus einem Trinksystem zwischen den Aerobars für Wasser (so ist es möglich dauerhaft ohne große Hürde Wasser zu sich zu nehmen) und einer „Gel-Flasche“ (4-8 Gels aufgefüllt mit Wasser) hinter dem Sattel. Zwar raten viele Experten nichts festes, also nur Gel, während eines Wettkampfs zu sich zu nehmen, jedoch setze ich immer auch auf Riegel, um auch mal etwas Bissfestes im Mund zu haben.
Laufen:
Neben den Schuhen ist eine oben offene Kappe für mich unersetzlich. Diese hilft zum einen gegen die Sonne, zum anderen aber schränkt sie auch den Blick ein und hilft mir, mich zu fokussieren.
Wechsel:
Ein Startnummernband ist enorm hilfreich, um seine Kennzeichnung nach dem Radfahren (bei dem die Nummer auf dem Rücken getragen werden muss) umzudrehen, da sie beim Laufen auf der Vorderseite getragen werden muss. So spart man sich das in der Aufregung aufwändige Einhakeln der Sicherheitsnadeln und muss somit auch das Oberteil nicht wechseln.
Generelle Tipps zur Triathlon-Teilnahme
Die Challenge Roth ist leider jedes Jahr bereits nach wenigen Minuten ausgebucht. Die Veranstaltung fand in diesem Jahr bereits zum 35. Mal statt und zählt zu den größten Triathlons der Welt. Wenn du gern selbst mal einen Triathlon bestreiten möchtest, empfehle ich dir, eine Sprintdistanz (750 Meter Schwimmen, 20 km Fahrradfahren, 5 km Laufen) in deiner näheren Umgebung zu suchen, um erstmal reinzuschnuppern. Solche Termine findest du zum Beispiel bei den Triafreunden.
Wenn du schon fit bist und dir mehr zutraust, kannst du dich auch gleich an eine Kurzdistanz beziehungsweise Olympische Distanz (1,5 km Schwimmen, 40 km Fahrradfahren, 10 km Laufen) wagen. Der Leipziger Triathlon bietet meiner Meinung nach dafür einen sehr guten Rahmen. Wer bereits an ein paar Triathlonveranstaltungen teilgenommen hat, der sollte eine Mitteldistanz finishen, bevor er gleich die Langdistanz in Angriff nimmt. Ein „Geheimtipp“ hierfür und absolut zu empfehlen, besonders im Hinblick auf das Preis-Leistungs-Verhältnis, ist der Müritz-Triathlon. Schon wesentlich bekannter, aber auch wegen des Höhenprofils anspruchsvoller, ist der Allgäu-Triathlon. Neben der Challenge Roth und den Ironman-Veranstaltungen in Frankfurt und Hamburg gibt es auch viele weitere Langdistanz-Rennen in Deutschland. Besonders zu erwähnen ist hier der Ostseeman mit seiner genialen Atmosphäre und dem Schwimmen im offenen Meer.
Die unterschiedlichen Namen und Serien (Ironman, Challenge, ITU …) erschweren den Überblick ein wenig, allerdings solltest du eher auf die Distanz und die Streckenführung als den Namen des Veranstalters achten. Beim Ironman in Lanzarote ist es beispielsweise ein großer Teil der Herausforderung, nicht von der Straße geweht zu werden, während du beim Alpe d’Huez Triathlon kletterfest sein solltest, denn hier warten auf der Radstrecke mehr als 3000 Höhenmeter auf dich.
In jedem Fall solltest du keine Angst davor haben, wenn du eine (oder gar keine) Disziplin nicht perfekt beherrschst. Kraulen ist ebenso wenig Pflicht wie ein Zeitfahrrad. Meine Erfahrung ist, dass die Distanzen im Vorfeld immer länger wirken, als sie am Ende eigentlich sind. Darum rate ich dir, es mal auszuprobieren, wie sich so ein Triathlon anfühlt, denn was kann schon passieren, außer dass du dabei eine Menge Spaß hast?!