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Ein Radjournal von Brügelmann

Biketest & Interview – Neues Marin Mount Vision 9

Biketest & Interview – Neues Marin Mount Vision 9

Marin präsentiert ihr neues Mount Vision Carbonfully mit dem viel gepriesenen Naild Hinterbau. Wir haben dem außergewöhnlichen Trailbike auf den Zahn gefühlt.

Brügelmann 26. April 2019 15 min.

Marin überraschte im März 2019 mit einer komplett überarbeiteten Neuauflage ihres Mount Vision Modells. Zwei Jahre nach dem 29er-Fully Wolf Ridge mit 160mm Federweg setzen die Kalifornier auch am Mount Vision auf das Naild R3act-2Play Federungssystem. Kurz nach der offiziellen Vorstellung hat uns Marin ein Mount Vision 9 zur Verfügung gestellt. So konnten wir das ungewöhnliche Bike mit dem schon viel gepriesenen Naild Hinterbau selbst ausprobieren – auf Trails die wir gut kannten. So viel können wir jetzt schon verraten – der Fahreindruck war mit einigen Augenöffnern verbunden. Wer das Neue aufgrund der ungewöhnlichen Optik von vorn herein beiseite schiebt, der verpasst etwas.

Das Testbike Marin Mount Vision 9 in der ganzer Pracht. Die Abendsonne wirft lange Schatten.

Das Testbike

Schon beim ersten Naild-Bike, dem Marin Wolf Ridge, polarisierte der Look und begeisterte das Fahrwerk viele Mountainbiker. Daran knüpft das Mount Vision an. Mit einer zusätzlichen Wippe zwischen der markanten Carbon-Schwinge, 27,5″ Rädern mit breiten 2,6“ Reifen und nur 150mm Federweg präsentiert es sich als kompaktes Kraftpaket in der Fully-Palette von Marin. Vom effizienten Trailride über All-Mountain-Abenteuer bis zu echten Enduro-Einsätzen soll das Mount Vision alles gleichermaßen gut können. Das sind große Worte. Schaut man sich die Geometrie und Ausstattung der Marin-Fullys genau an, wird klar, dass das Mount Vision mit aufwendigem Vollcarbon-Rahmen in der gleichen Liga angesiedelt ist wie ein Santa Cruz Bronson, Trek Remedy oder Cannondale Trigger.

Auf einen Blick – Das Marin Mount Vision 9

Einsatzbereich:Trail , All Mountain und Enduro
Rahmenmaterial:Carbon
Radgröße:27,5 Zoll
Federgabel:Fox Performance Elite 36, 150 mm
Dämpfer/Federweg:Fox Float X2 Performance, 210x60mm, 150 mm
Gewicht:ca. 15 kg (in Testgröße L)
Preis:€ 6.699,-
Vollständige Produktinfos:Marin Mount Vision 9 (2019)

Rahmen

Marin hat uns die mittlere von drei Ausstattungsvarianten zur Verfügung gestellt. In allen drei Varianten (Pro, 9 und 8) kommt der gleiche hochwertige Vollcarbon-Rahmen zum Einsatz. Hauptrahmen, die große Schwinge und selbst der obere Umlenkhebel sind aus Carbon und wirken durchweg hochwertig verarbeitet. Lediglich die oberen und untere Verbindungswippen zwischen hinterer Schwinge und Hauptrahmen bestehen aus Aluminium. Mit innenliegender Kabelführung, einer Flaschenhalter-Position im Rahmendreieck und genug Platz für eine große Flasche sowie gängigen Standards (Boost-Hinterbaubreite, Trunnion-Mount Dämpfer, Sram Dub Innenlager und Kurbel) ist das Mount Vision Chassis technisch weit weniger exotisch als die Optik zunächst vermuten lässt.

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Geometrie

Auch die Geometrie des Marin Mount Vision trifft auf den Punkt die aktuelle Gratwanderung zwischen Fahrstabilität und Spieltrieb. Die getestete Größe L hat einen moderat-langen Reach von 471 mm. Der Lenkwinkel von 65° ist in der 150 mm Federwegklasse ein gesunder Mittelwert und verheißt auch im steilen Gelände viel Souveränität ohne träge Lenkeigenschaften bei langsamer Fahrt. Der effektive Sitzwinkel von 75° sorgt, mit dem Sattel auf etwa Lenkerhöhe, für eine gute Effizienz bergauf. Der tatsächliche Sitzrohrwinkel ist jedoch deutlich flacher, sodass Fahrer mit viel Sattelauszug auch spürbar mehr über dem Hinterrad sitzen dürften. Besonders auffällig sind der sehr kurze Hinterbau und das mit 330 mm recht tiefe Tretlager. Bereits auf dem Papier also ein Bike, das verspielte Bergab-Performance, Kurvenspaß und ausgewogene Klettereigenschaften andeutet.

Marin Mount Vision Geometrie-Datenblatt
GeometrieSMLXL
Stack (A)586,6600618630
Reach (B)432,2453471,5493
Lenkwinkel (C)65656565
Steuerrohr (D)90105125138
Sitzwinkel eff. (E)62,663,164,164,1
Sitzwinkel real (F) 75,575,375,175
Sitzrohr (G)395430465502
Oberrohr real (H)516538563585
Oberrohr eff. (I)581,2603626650
Tretlagerhöhe (J)330330330330
Tretlager Drop (K)
30303030
Kettenstreben (L)420420420420
Radstand (M)1160118712131240
Überstandshöhe (N)716717728749
Gabelvorlauf (O)44444444

Federung

Im Inneren des markanten Tretlagerbereich verbirgt sich das Herzstück des innovativen Federungssystem: ein großer Gleitzylinder dient als lineare Führung der Umlenkung. Ähnlich wie das Switch Infinity System bei Yeti ist auch beim Marin kein versteckter Dämpfer am Werk, nur eine Führung, die am Naild R3act 2Play Hinterbau helfen soll, die Fahrerbewegungen von den eigentlichen Federungsaufgaben zu entkoppeln. In Kombination mit der Ansteuerung des Dämpfers ergibt das Federungssystem – trotz optischer Ähnlichkeit mit einem Eingelenker – eine Art VPP-System mit 150mm Federweg am Heck und ganz eigener Charakteristik. Die Kontrolle der Federung und Dämpfung übernimmt ein Fox Float X2 Performance Trunnion Mount Dämpfer. Marin verwendet hier im Inneren einen Custom-Tune der Fox Dämpfung, setzt systembedingt nur auf ein Minimum an Dämpfung und verzichtet bewusst auf eine Schnellverstellung zwischen Downhill-, Trail- oder Uphill-Modus. Die Federung soll ausdrücklich in allen Fahrsituation vollaktiv gefahren werden. Doch dazu gleich mehr.

Der Naild R3act-2Play Hinterbau am Marin Mount Vison in Aktion

An der Front arbeitet eine Fox Performance Elite 36 Gabel mit 150 mm Federweg und dem neuen GRIP2 Dämpfer – abgesehen von der Kashima-Beschichtung steht sie einer Factory-Version der Fox 36 in nichts nach. Im Gegensatz zum Heck können Federungsprofis hier mit getrennter High- und Lowspeed-Druckstufe sowie Zugstufeneinstellungen ihre Leidenschaft voll ausleben

Komponenten

Hochwertig und durchweg bewährt für den aggressiven Mountainbike-Einsatz ist auch die übrige Ausstattung des Mount Vision 9. Geschaltet wird mit einer Mischung aus SRAM XO1 Eagle Schaltwerk, der teuren aber auch leichten XO1 Eagle Kassette und den preisgünstigeren SRAM GX Eagle Schalthebeln sowie GX Kette. Die Kraft des Fahrers überträgt dazu passend ein Paar SRAM Descendant Carbon Kurbeln. Das Verzögern übernehmen am Marin Mount Vision 9 Shimanos XT Scheibenbremsen in der bissigen 4-Kolben-Version, mit großer 203 mm Bremsscheibe an der Front und 180 mm Bremsscheibe am Hinterrad.

Um solch ein potentes Fahrwerk und diese Bremsleistung auch zu nutzen, müssen die Laufräder einiges einstecken können. Marin setzt auf 27,5 Laufräder mit den neuen Stan’s Notubes Sentry MK3 Felgen. Dank 32mm Innenbreite sind sie ideal für die 2,6 Zoll breiten WTB Trailboss Reifen geeignet – an unserem Test im Tubeless-Betrieb eine traktionsstarke und stabile Kombination mit angenehm guten Rolleigenschaften.

Von der Komponentenmarke Deity stammen der 787mm breite Skyline Lenker und der kurze boxtype-artige Copperhead-Vorbau. WTB steuert den Sattel bei, Kindshock die Lev Integra Sattelstütze, serienmäßig bereits mit 150mm Absenkung.


Im Fahrtest

Wie schlägt sich das neue Marin Mount Vision mit dem Naild R3act Hinterbau in der Praxis? Kann ein 150 mm Trailfully ohne größere Verstellorgien wirklich bergauf wie bergab gleichermaßen überzeugen? Und alle Theorie bei Seite gelassen – wie fühlt sich denn der Hinterbau nun an, für den Marin einen ganz schönen konstruktiven Aufwand trieb? Wir haben das Marin Mount Vision 9 über Trails bei Stuttgart, Heidelberg und in Sasbachwalden gejagt.

Setup

Unser Testbike von Marin kam zu 100% in Serienausstattung zu uns. Nur die Federelemente, Sattelposition, Armaturen und Pedale wurden auf die Fahrer angepasst. An der Front hat man Fox-typisch mit dem Körpergewicht in Kilogramm einen guten Richtwert für den erforderlichen Luftdruck. Die Anpassung der Zugstufe und Druckstufen ging ebenfalls in wenigen Minuten von statten. Etwas mehr Geduld erforderte der richtige Luftdruck im Dämpfer. Marin empfiehlt für ihren Naild R3act 2play Hinterbau einen geringeren SAG (genutzter Federweg durch das Fahrergewicht in Ruhe) von nur etwa 25% des 60mm Dämpferhubs. Um beim Aufsitzen tatsächlich nur etwa 15-18mm Dämpferhub zu verbrauchen war an unserem Fox Float X2 Performance Dämpfer überraschend viel Druck nötig. Da das Tretlager am Marin bereits recht tief ist, empfiehlt es sich, dieser Angabe wirklich zu folgen. Die Dämpfungseinstellungen am X2 darf man, der Empfehlung von Marin folgend, dabei unangetastet bei einem Minimum belassen.

Erster Eindruck

Schon beim Probesitzen fällt die angenehm neutrale Sitzposition auf. Die 2,5 cm Spacer unter dem Vorbau führen zu nur geringer Sattelüberhöhung. Die hohe Front und der breite Lenker lassen beim Aufsitzen eher Abfahrtsspaß als Klettertalent vermuten, doch schon auf den ersten Metern in der Ebene fällt auf, dass sich das Bike wirklich leichtfüßig und effizient bewegen lässt. Obwohl das flach nach hinten weisende Sitzrohr des Rahmens eine hecklastige Sitzposition vermuten lässt, sitzt man sehr zentral auf dem Bike. Kein Wunder, der rechnerische Sitzwinkel beträgt moderat steile 75°, unserer Meinung nach eine goldene Mitte um an steilen und an flachen Stücken Druck aufs Pedal zu bringen.

Auf dem Marin Mount Vision lässt sich auch bergauf und in der Ebene mit Druck durch den Trail pedalieren.

Bergauf

Warmrollen fällt aus. Rauf geht’s, die ersten einhundert Höhenmeter zunächst auf befestigten Wegen. Es fällt leicht, mit Druck auf den Pedalen zu fahren. Ein paar kleinere Kanten werden förmlich weggesaugt vom Hinterbau, der Fahrer bekommt davon fast nichts mit. Im Sitzen lässt sich weder mit wildem Gekurbel noch dickem Gang spürbares Wippen provozieren. Ein Griff ans Federbein bestätigt den Eindruck. Selbst übliche Minibewegungen am Dämpfer finden einfach nicht statt. Stattdessen animiert das Marin zu kleinen Zwischensprints.

Das Mount Vision bringt uns schnell zum Eingang unseres Trails hoch. Hier warten steilere Passagen, Wurzeln und Felspassagen, Rythmuswechsel und Spitzkehren. Das Marin bleibt ruhig, die Position auf dem Bike lässt auch den Fahrer sicher und schnell seine Linie wechseln. Hier muss der Hinterbau arbeiten um, Traktion zu liefern und genau das tut er – ohne den überraschenden Vortrieb zu bremsen. Das Hinterrad weicht scheinbar widerstandslos Wurzeln und Steinen aus. In den Pedalen merkt man davon so gut wie nichts. Nur zwischen größeren Steinen ist etwas Vorsicht beim Pedalieren geboten. Das Tretlager kann beim Einfedern recht tief kommen. In Kombination mit Plattformpedalen führte das zu gelegentlichen Steinkontakt.

Trotz geringer Sattelüberhöhung bleibt das Vorderrad auch an steilen Passagen gut am Boden und lässt sich ohne Schwierigkeiten durch enge Spitzkehren zirkeln. Der Wechsel zwischen sitzendem Klettern und Wiegetritt fällt leicht. Die Bewegung des Fahrerschwerpunkts scheint tatsächlich keinen Einfluss auf die staubsaugerartige Performance des Hinterbaus zu haben. Am höchsten Punkt der Hausrunde angekommen macht sich Verblüffung breit. Selten waren diese 450 Höhenmeter entspannter, und dabei war man alles andere als langsam. Gemerkt hat man das Tempo in doppelter Hinsicht nicht. Zum einen kann das Marin die Beinkraft überraschend gut in Vortrieb verwandeln, zum anderen bleibt jedes feedbackreiche Racerfeeling aus. Man kurbelt fast luftkissenartig über Passagen hinweg, die mit anderen Rädern eine sehr viel genauere Linienwahl erfordern oder zumindest deutliche Rückmeldung in den unteren Rücken senden. Undefiniert? Manch einer mag es so nennen. Effizient? Unbedingt

Bergab

Ob nun klassifiziert als Trailbike, All Mountain Bike oder gar Endurobike – ob das Rad den Fahrspaß liefert, den Marin verspricht, das entscheidet sich vor allem bergab. Wir haben dem Marin zunächst naturbelassene enge Trails und Steilstücken serviert. Im Anschluss ging es durch flowige Anlieger, Pump-strecken und über kleine Kicker, um dem Spieltrieb des offiziellen Launchvideo nachzugehen.

Zentral und tief auf dem Bike darf man in die Abfahrt starten. Die steife Fox 36, der breite Deity Lenker, die 2,6er Reifen und bissige 4-Kolben Bremsen geben genug Selbstvertrauen für krude Linien durch ein Meer unpassend platzierter Steine und Wurzeln. Dabei wurden ganz schnell drei Aspekte klar. Das Marin ist plush, agil und tief. Es fühlt sich an, als würde es eher tief im Federweg stehen und Beobachter bestätigen von außen diesen Fahreindruck. Vermisst haben wir Federweg deshalb dennoch nicht. Das Hinterrad scheint sich unglaublich frei und unabhängig vom Fahrerschwerpunkt bewegen zu können. So bleibt selbst bei größeren Schlägen und verblockten Passagen überraschend viel Momentum erhalten – trotz der „kleinen“ 27,5 Zoll Räder.

Mit gewonnenem Vertrauen in diese Performance lassen sich unförmigste Hindernisse auf dem Trail als kleine Kicker verwenden. Man pumpt sich fast durch den Trail. Diese aktive Fahrweise ist in manchen Passagen auch angebracht, denn die Bodenfreiheit für zusätzliche Pedalumdrehungen ist mitunter knapp bemessen. Wird der Trail steiler, ist es aber genau dieser tiefe Schwerpunkt, der dem Marin eine ähnliche Souveränität verleiht, wie man sie von Bikes mit deutlich längerem Reach und Radstand kennt.


Erneut beeindruckt vom staubsaugerartigen Fahrwerk auf Naturtrails geht es weiter in Richtung maschinengebautem Flowtrail. Von Anlieger zu Anlieger und über Tables in die nächsten Kurven geht es weiter. Seine Agilität und Traktionsstärke hat das Marin bereits unter Beweis stellen können. Über solche gebauten Trails ist mehr Popp und definiertes Feedback gefragt. Das aktive Fahrwerk erlaubt auch hier ein flottes Tempo durch die Anlieger und glättet so manche Bremswelle und schluckt Landungen ohne Tempoverlust.

Die moderne aber nicht übermäßig lange Geometrie macht es leicht, das Bike von einer Schräglage in die nächste kippen zu lassen und dank des kurzen Hecks geht das Marin gut aufs Hinterrad um kleine Wellen zu durchsurfen. Wer jedoch jede Welle zum Abheben nutzen möchte, der muss das mit etwas Nachdruck tun. Im mittleren Federwegbereich lässt das Marin den klarer definierten Gegenhalt mancher progressiven Fahrwerke vermissen. Einen Preis für die beeindruckende Schluckfreude dieses Bikes muss man wohl zahlen.

Unser Fazit:


Das Marin Mount Vision liefert wirklich die Effizienz eines guten Trailbikes. Es ist auch wirklich potent genug für steile und ruppige Abfahrt im Enduro-Stil. Aber es hat seinen ganz eigenen Charakter dabei. Marin hat mit dem Naild R3act-2Play Hinterbau ein außergewöhnliches Fahrwerk im Programm. Der fast luftkissenartige Hinterbau entkoppelt den Fahrer fast vom Untergrund. Fahrer, die immer ganz genau spüren wollen, was unter ihnen vorgeht mögen das zunächst irritierend finden. Wer sich darauf einlässt und das Rad einfach arbeiten lässt, der bekommt ein ungemein effektives, vielseitiges und komfortables Fully für anspruchsvolle Hausrunden oder alpine Abenteuer. Trotz des optisch markanten Auftritts – das Marin Mount Vision 9 überlässt dem Spiel zwischen Fahrer und Trail die Hauptrolle, statt sich selbst in den Vordergrund zu drängen.

Nachgefragt bei Marin Bikes – Fünf Fragen an Product Manager Matthew Cipes

BB: Vor zwei Jahren hat Marin mit dem Wolf Ridge das erste Bike mit dem Naild REACT Suspension System auf den Markt gebracht – ein 29er Fully mit 160mm Federweg, das in der Modellpalette offiziell als „unclassified“ aufgeführt wird, da es für seine Federwegklasse ungewöhnliche Allroundeigenschaften besitzt. Das neue Mount Vision ist das zweite Naild-Suspension Bike im Marin-Lineup, mit 10mm weniger Federweg und kleineren Rädern. Welchen Platz im Fully-Lineup von Marin besetzt das Mount Vision? Ist es eher Trailbike, All Mountain Bike oder Endurobike?

M.C.: Gute Frage. Wir sagen über Das Wolf Ridge, dass es in keine richtige Kategorie passt, um dem Kunden klar zu machen, dass man alles damit machen kann. Es ist einfach ein Mountainbike, das dank des Naild R3act – 2Play Systems viel Federweg und neutrale Fahreigenschaften bergauf und bergab vereint – etwas was sonst eigentlich nicht zusammen geht. Das Mount Vision ist mit dem gleichen Federungsansatz deutlich fokussierter Richtung Fahrspaß und Trailriding getrimmt. Der zusätzliche Swing-Link gibt der Plattform des Bikes mehr Dynamik und Verspieltheit und bringt so die Spritzigkeit der kleineren 27,5er Räder richtig zur Geltung. Traditionell markiert das Mount Vision Modell bei Marin die Spitze der Trail- und All Mountain Bikes – deshalb war es für uns nur logisch, diesen Modellcharakter mit dem neuen Mount Vision weiterzuführen.

BB: Was war das Ziel für die komplette Neuentwicklung der etablierten Mount Vision Linie?

M.C.: Unser Ziel für das Re-Design war es, den traditionellen Topbikes unserer 27,5 Fullys das bestmögliche Federungssystem und ein zeitgemäßes Geometrie-Update zu verpassen. 2017 war das letzte Jahr, indem wir ein Mount Vision im Programm hatten – mit einem Carbonhinterbau der auf Flex basierte, genannt Isotrac. Es war niemals der Plan, das Mount Vision in den Ruhestand zu schicken. Seit den ersten Erfahrungen mit dem R3act – 2Play System beim Wolf Ridge war klar, dass wir dieses auch für die Spitze in der Marin-Fully Hierarchie nutzen wollen. Das neu entwickelte Mount Vision ist das Ergebnis.

BB: Hattet ihr bei der Entwicklung des Bikes schon einen bestimmten Fahrertypus vor Augen?

M.C.: Ja, auf jeden Fall. Das Bike wurde gebaut für all die Fahrer, die das verspieltere und agilere Fahrgefühl der 27,5″ Räder lieben. Das Mount Vision verleitet zum Spielen mit dem Gelände, lässt sich über den Trail aktiv pushen und in die Luft ziehen. Dennoch ist das Fahrwerk potent genug für richtig ruppige Pisten und effizient genug für lange Bergtouren.

BB: Wir sehen in der letzten seit besonders im aggressiven Trail- und Enduro-Segment bei vielen Firmen einen deutlichen Trend Richtung 29er. Kannst du etwas über eure Entscheidung für die kleineren 27,5″ Laufräder sagen?

M.C.: Die Entscheidung für 27,5 war für uns leicht und ehrlich gesagt macht das einen guten Teil des Charakters vom Bike aus – spielerisch aber dennoch ausgewogen. Wir haben uns beim Spec für maximal 2,6 Zoll Reifenbreite entschieden, um dem Fahrer die volle Auswahl moderner breiter Reifenmodelle zu bieten, aber dennoch kein Plusbike draus zu machen. Die drei Modelle kommen mit zwei verschiedenen Reifen. Am 8 und 9 setzen wir auf WTB Trail Boss 2,6er Reifen, am Pro-Modell auf E13 mit 2.35er Breite. Beide Reifen bieten unsere Meinung nach viel Traktion und ein sattes Gefühl auf dem Trail, ohne dass sich das Bike schwer oder langsam anfühlt.

BB: Der markante Hinterbau wird kontrolliert von einem auf den ersten Blick ganz normalen Dämpfer von Fox (Modell PRO und 9) beziehungsweise Rock Shox (Modell 8). Erst beim genauen Blick bemerkt man das etwas fehlt. Eine Schnellverstellung der Dämpfung für einen Bergauf-Modus, einen Trail-Modus oder eine andere Form von zuschaltbarer Plattform, wie sie von vielen Herstellern als Feature vermarktet wird, sucht man hier vergebens. Kannst du erklären, was der Gedanken dahinter ist, dem Fahrer diese Verstelloption bewusst nicht anzubieten?

M.C.: Das Naild R3act – 2Play Federungssystem braucht keinen Lockout oder ähnliches. Wir wollten das noch einmal deutlich hervorheben und haben deshalb erst gar keine Option vorgesehen. Der Hinterbau ist unserer Meinung nach in allen Fahrsituation gut genauso wie er ist. ein Lockout oder zusätzliche Druckstufe würde das Fahrverhalten verschlechtern. Wir wollen nicht, dass der Fahrer sich in eine Situation bringt, in der sein Bike schlechter arbeitet als es könnte. Das Mount Vision erlaubt die beste Kraftübertragung und Traktion, wenn die Federung voll aktiv ist und sich frei bewegen kann. Das kann so kein anderes Federungssystem.

BB: Matthew, vielen Dank für das Gespräch und viele Grüße nach Marin County