GT präsentieren für 2020 eine umfangreiche Evolution ihrer gesamten Grade-Linie. Klar, Gravelbikes, das ist für nahezu alle großen Hersteller gerade ein heißes Eisen. An Neuvorstellungen und neuen Modellen ist wirklich kein Mangel. Wenn aber einer der Pioniere dieser aufstrebenden Szene sein erfolgreiches Konzept eines Carbon-Gravelers komplett neu auflegt, lohnt es sich, einen genauen Blick darauf zu werfen.
Über GT Bicycles
GT Bicycles ist eine jener Marken, die live bei der Geburt des Mountainbikens dabei waren: Ihre Wurzeln liegen beim Gründer Gary Turner, der in den Siebzigern aus alten Rohren ein Bike (ein BMX, um genau zu sein) für seinen Sohn baute, der zuvor Rahmen um Rahmen verschliss. Weil der ehemalige Trompetenbauer (kein Witz) bessere Fahrradrahmen baute als das, was man im Geschäft kaufen konnte, erfreute er sich schnell großer Beliebtheit und baute für seine Freunde und Bekannten Räder.
Nach einer Weile lernte er seinen zukünftigen Geschäftspartner, Richard Long, kennen, der einen Radladen hatte, den er alsbald verkaufen sollte. Zusammen gründeten sie GT Bicycles und waren schnell eine große Nummer, besonders, wenn es um haltbare Mountainbikes ging. Denn damals war ein Fahrradrahmen, der nicht brach, augenscheinlich eine Besonderheit!
In den kommenden Jahren entwickelte sich GT zu einem der Großen im Mountainbike-Sport und war auch im Rennsport fest vertreten. Die Athertons hatten mit ihre beste Zeit beim GT Downhill Team, aber auch Triathleten wie Chris McCormack fuhren auf GT Bestzeiten ein. Mit bekannt waren GT, neben ihrer Haltbarkeit, auch für ihre innovativen Lösungen wie dem i-Drive-System und natürlich die Armee an Legenden, die auf ihren Bikes startete: das Urgestein Hans Rey, der immer noch GT fährt, Downhiller Steve Peat oder Nico Vouilloz und XC-Legende Juliana Furtado.
Allgemeine Bike Infos
Unser Testbike ist in der Reihe der neuen GT-Grade-Serie jenes mit der höchsten Ausstattung. Insgesamt bietet GT fünf verschiedene Modelle des neuen Grade an. Vom Einstiegs-Graveler aus Aluminium bis zu unserem Topmodell aus Carbon mit elektronischer Schaltung ist alles dabei. Alle Modelle aus der Grade-Serie haben den Anspruch, sowohl auf der Straße, als auch abseits davon zu funktionieren. Denn nicht nur Off- sondern auch On-Road soll das neue GT Spaß machen. Deswegen gibt es neben dem generell überarbeiteten Rahmen auch zwei wesentliche Neuerungen beim neuen Gravel-Bike von GT. Vor allem, um den Komfort zu steigern, sind die Sitzstreben des neuen Grade nun komplett entkoppelt vom Sitzrohr. Dazu kommt noch der an der Gabel verbaute Flip-Chip als weitere Neuheit. Damit ist es möglich, die Geometrie des Gravel-Bikes und damit die Fahreigenschaften an Fahrer*in, Einsatzzweck oder Untergrund anzupassen.
Von der Seite der gewohnt-typoische GT-Look mit dem Triple Triangle am eleganten Grade-Carbonrahmen Von hinten sieht man eine Neuerung. Die Sitzstreben sind für mehr Komfort nicht länger am Sitzrohr angebunden. Die Carbon Pro Version kommt in edlem matt schwarz daher, bietet aber ein paar schöne Designelemente.
Mit diesen beiden Neuerungen stellt sich das Grade richtig breit auf, wenn es um das Einsatzgebiet geht. Denn sowohl für zackige Gravel-Ausfahrten – oder sogar Rennen – wie auch für lange Ausflüge und Touren ist das GT Grade damit geeignet. Apropos Touren: Auch dem Trend zum Bikepacking versagt sich das Bike nicht. Damit man auch alle Taschen und die Ausrüstung ordentlich fest untergebracht bekommt, gibt es am Grade sehr viele Bohrungen für viele verschiedene Anbauteile. Gewindeösen lassen sich am Oberrohr, an der Gabel und wie gewohnt im Rahmendreieck finden, sowie unter dem Unterrohr. Die Zugverlegung des Gravel-Bikes ist auch nicht zufällig gewählt. Besonders praktisch: Die Schalt- und Bremszüge sind außen verlegt, so sind diese einfacher zu warten. Bei der elektronischen Schaltung hingegen verlaufen alle Leitungen zum Akku und für die Steuerung der Komponenten intern. Bei Gravel-Bikes besonders wichtig: die maximale Reifenbreite. Das Grade bietet Platz für bis zu 42 mm bei 700c Laufrädern, aber auch 650b Räder können gefahren werden, dann mit einer Breite bis 47 mm.
Ausstattung
Unser Test-Bike ist wie bereits angekündigt das GT Grade Carbon Pro. Neben dem Rahmen ist auch die Gabel aus Carbon. Geschaltet wird vollkommen elektronisch, denn unser GT Grade ist mit der Ultegra-Di2-Gruppe ausgestattet. Eine Besonderheit dabei ist das Schaltwerk. Es handelt sich dabei um das neue Ultegra-RX-Di2 Schaltwerk, welches speziell für Offroad-Einsätze entwickelt wurde. Der Reibungsdämpfer an diesem Antriebsteil soll ein Schlackern der Kette oder noch schlimmer ein Abspringen, verhindern. Außerdem soll diese Technologie aus dem Mountainbike-Sektor den Antrieb wesentlich geräuschärmer machen. Die verbaute Kurbel von FSA bietet zwei Kettenblätter mit 30 und 46 Zähnen. Mit der Kassette, welche eine Bandbreite von elf bis 34 Zähnen aufweist, ist man mit einer Entfaltung von 474 Prozent richtig breit aufgestellt. Die hydraulischen Scheibenbremsen kommen ebenfalls aus der Shimano-Ultegra-Reihe, die zugehörigen Bremsscheiben haben hinten wie vorn 160 mm Durchmesser.
Das elektronische RX Schaltwerk aus der Ultegra-Gruppe soll für Fahrten auf grobem Untergrund optimal sein. Die Kurbel aus dem Hause FSA passt sich hervorragend ins Gesamtbild des Bikes ein.
Montiert sind die Bremsscheiben an einem Laufradsatz aus dem Hause WTB. Wer will, kann die aufgezogenen 37 mm breiten Reifen (WTB Riddler) auch ohne Schlauch, also Tubeless, fahren. Denn sowohl die Felge, als auch die Reifen sind tubeless-ready. Die restlichen Anbauteile am Grade (Sattelstütze, Vorbau und Lenker) kommen aus dem eigenen Hause. Dabei sind Lenker und Vorbau aus Aluminium, die Sattelstütze hingegen aus Carbon gefertigt. Der darauf verbaute Sattel kommt von Fabric. Dieses Gesamtpaket wiegt ohne Pedale ganz knapp über 9 kg (9,07 kg) und kostet in unserer Ausstattungsvariante 3.799,00 Euro (UVP).
Die Gabel lässt in Punkto Gewindeösen wohl keine Wünsche offen. Bikepacking-Fans wird es freuen. Da ist noch ordentlich Platz! Bis zu 42 mm breite Reifen passen in der 700C Variante in das Grade und sogar für 650B mit 47 mm reicht es.
Fahreindruck
Das GT Grade soll auf so ziemlich allen Pfaden und Wegen funktionieren, also haben wir es auf fast allen möglichen Untergründen getestet. Wir haben dafür wohl die beste Umgebung gewählt: die österreichischen Alpen. Dort findet der geneigte Gravel-Biker wirklich alle möglichen Bedingungen und dazu eine Hammer-Kulisse. Los ging es erstmal da, wo eigentlich fast jede Radfahrt beginnt: auf der Straße. Der erste Eindruck ist äußerst vielversprechend. Neben der edlen und stilvollen Optik kann das GT Grade auch in Sachen Geometrie absolut überzeugen. Im Vergleich zum Vorgängermodell ist die Sitzposition ein wenig sportlicher geworden. Im Vergleich zu anderen Gravel-Bikes ist die neue Geometrie relativ dynamisch ausgerichtet. Das merkt man zwar, aber es ist in keiner Weise unbequem oder unangenehm. Die Haltung auf dem Rad lässt sich als absolut ausgewogen und dynamisch bezeichnen. Genau so fühlten sich auch die ersten Kilometer auf Asphalt an. Nicht einmal die Stollen der WTB Riddler Bereifung trübten den Fahrspaß der auf der Straße.
Um richtig warm zu werden, pumpten wir uns einige Hügel hoch und peitschten wieder runter. Wahnsinn, wie schnell man da vergisst, dass man auf einem Gravel-Bike und nicht auf einem Rennrad sitzt. Bei richtig harten Anstiegen merkte man zwar, dass das Rad nicht zu den absoluten Leichtgewichten gehört, aber trotzdem kamen wir immer schnell und fluffig hoch. Bei der nächsten Gelegenheit bogen wir dann auch einfach mal ab, um das Bike da hinzuführen, wo es hingehört: Offroad. Ein breiter Waldweg mit ein paar losen Steinen zeigte uns, wie agil das GT Grade auf losem Untergrund ist. Auf den Waldautobahnen fühlte sich das Grade nicht nur wohl, es war tatsächlich voll in seinem Element. Besonders in Kurven machten sich die Stollen der Reifen bemerkbar, sodass man keine Angst haben muss wegzurutschen. Nach ein paar Kilometern ließen wir noch ein wenig Luft aus den Reifen, um den Grip noch zu verbessern.
Auf der Waldautobahn zu Hause: Das GT flitzt ordentlich schnell über Kies- und Schotterwege. Obwohl es relativ sportlich ist, lassen sich alle Aussichten entspannt genießen.
Zuletzt entführten wir das GT Grade noch auf ein paar Singletrails. Es waren keine grob verblockten oder komplett verwurzelten Pfade. Flowige Trails wie man sie eigentlich in jedem größeren Wald findet, gepaart mit technischen Abschnitten in einer einmaligen Umgebung taugten uns, um nochmal alles zu geben. Und das hat sich wirklich gelohnt. Obwohl der Untergrund in manchen Abschnitten doch sehr ruppig war, machten die Trails einfach nur total viel Spaß. Den Komfortgewinn durch das Trio aus schwingenden Sattelstreben, Carbon-Rahmen und Sattelstütze aus Carbon war absolut spürbar. Auch nach über einer Stunde auf den Trampelpfaden waren wir noch nicht durch die vielen Schläge ermüdet. Dafür aber durch die vielen Anstiege. Es waren viele Passagen mit über 12-prozentigen Rampen dabei. Auch abseits der Straßen waren wir deswegen froh, dass das Grade ein so großes Schalt-Spektrum bereithält.
Neben den guten Komforteigenschaften des sportlichen Gravel-Bikes, mochten wir besonders das Handling. In jeder Situation war das Grade sehr präzise zu steuern. In Kombination mit den enorm kraftvollen Scheibenbremsen konnten wir immer die Kontrolle über das Bike behalten, egal in welcher Situation und egal ob auf der Straße oder daneben. Die elektronische Schaltung ist wirklich ein absoluter Zugewinn. Tadellos und komplett ohne Hakeln schaltet die Ultegra DI2 bestens, sogar unter Last. Gewöhnungsbedürftig sind die Schalthebel. Diese sind im Gegensatz zur mechanischen Schalt-/Bremshebeleinheit etwas anders aufgebaut: Der eigentliche Bremshebel ist starr (bei der mechanischen Bremse dient er zum „Hochschalten“ aufs größere Ritzel/Kettenblatt). Darunter sind zwei weitere Taster angeordnet, mit denen man die Schaltung betätigt. Besonders Offroad muss man sich erst daran gewöhnen, denn obersten Schalthebel (zwischen Brems- und unterem Schalthebel) zu finden. Nach einem Tag im Sattel aber, hatten wir uns daran gewöhnt. Das Schalten macht mit der elektronischen Variante richtig viel Spaß, geht super einfach und passiert komplett kraftlos. Nur eine kleine Tastbewegung und zack ist der Schaltvorgang beendet.
Wenn man von einer mechanischen Shimano-Gruppe kommt, muss man sich an die drei Hebel ein wenig gewöhnen.
Unser Fazit
Das GT Grade ist ein astreines und sportliches Gravelbike. Es fühlt sich auf Waldwegen ebenso wohl, wie auf gemäßigten Trails. Auch auf der Straße läuft das GT Grade richtig gut. Der hochwertige und durchdachte Rahmen mit den ausgezeichneten Anbauteilen und der exzellenten Schaltung ist wirklich sein Geld wert. Die vielen Aufnahme-Möglichkeiten für Taschen, Flaschen und weiteres Equipment machen das GT Grade zudem universell einsetzbar. Wer ein sportliches und universelles, aber dennoch komfortables Gravel-Bike sucht, das elegant aussieht und top ausgestattet ist, der sollte sich das GT Grade Carbon Pro sehr genau ansehen.