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Ein Radjournal von Brügelmann

Bikepacking Neuseeland Campingplatz

Bikepacking in Neuseeland

Bikepacking in Neuseeland

Zum Weltfrauentag erzählt uns eine Kollegin von ihrem letzten Abenteuer.

Brügelmann Blog 7. März 2020 11 min.

Wenn man es nicht besser wüsste, dann würde man Asia für eine ganz normale Kollegin halten. Sie zeigt Fotos von Katzen herum und unterhält sich über die Beziehung von Brad Pitt und Angelina Jolie. Von ihren gewaltigen Radtouren erfährt man nur, wenn man danach fragt – Angeben ist nämlich so gar nicht ihr Ding. Dabei hat sie eine ganze Menge zu erzählen, denn sie stürzt sich regelmäßig in die wildesten Abenteuer auf zwei Rädern. Während die Kollegen laut über ihre Heldentaten auf der letzten 60-km-Runde erzählen, plant sie einfach ihre nächste Bikepackingtour am anderen Ende der Welt.

Der Weltfrauentag war genau der richtige Anlass, ihr ein Mikro vor die Nase zu halten und sie in aller Ausführlichkeit von ihrem letzten Abenteuer erzählen zu lassen: einer Bikepackingtour quer durch Neuseeland, die das gesamte Büro einen Monat lang in Atem hielt. Jeden Tag bekamen wir neue Fotos von traumhaften Aussichten geschickt, während vor dem Fenster der deutsche Winter tobte.

Bikepacking Neuseeland

Kannst du dich mal vorstellen?

Mein Name ist Asia und ich arbeite als Copywriterin und Übersetzerin für unsere polnischen Shops. Ich schreibe zum Beispiel die Produktbeschreibungen (die für unsere Shops sehr wichtig sind), Guides, Blogposts, alles eigentlich …

Hast du auch außerhalb deiner Arbeit mit den Dingen zu tun, über die du jeden Tag schreibst?

Ich liebe Fahrräder und ich liebe es, draußen zu sein. Das ist ein riesiger Teil meines Lebens, ich fahre unglaublich viel Rennrad und seit neuestem auch Gravel, was für mich eine sehr coole Entdeckung war. Ich fühle mich also den Themen, über die ich schreibe, sehr verbunden.

Bikepacking Neuseeland
An den Spot kam Asia nur, weil ihr Locals den Weg verrieten. Das Wasser war fast zu heiß, um darin zu schwimmen!

Wann hast du angefangen, Fahrrad zu fahren?

Ich habe so um 2013 angefangen, ernsthaft Fahrrad zu fahren, also nicht nur um in der Stadt von A nach B zu kommen. Meine ersten Rennen bin ich jedenfalls 2014 gefahren, obwohl das keine reinen Fahrradrennen waren. Ich habe mit Triathlon angefangen, weil ich vorher schon viel gelaufen bin. Nachdem ich ein paar Halbmarathons und Marathons gelaufen war, wollte ich gerne etwas Neues probieren. Ich hatte schon ein Rad, ich konnte laufen – dann war nur noch Schwimmen über! Das musste ich dann praktisch neu lernen und obwohl ich immer noch nicht wirklich gut schwimmen kann, habe ich eine Mitteldistanz (1,9 km Schwimmen, 90 km Radfahren, 21 km Laufen) gefinisht. Ich bin immer noch ziemlich glücklich darüber, dass ich den überlebt habe … Ich habe das noch mal probiert und dann nicht geschafft. Es ist einfach hart, für drei Disziplinen zu trainieren, ich hatte einen Vollzeitjob – Ausreden, ich weiß, ich habe es einfach nicht geschafft und wollte danach etwas anderes ausprobieren. Das war dann ein 500 km-Ultramarathon auf dem Rad, den ich irgendwie überstanden habe. Ich hatte aber Spaß dabei und war danach längst nicht so kaputt, wie ich befürchtet hatte. Danach war mir dann klar, dass das meine Nische sein kann. Ich bin vielleicht nicht schnell, aber meine Ausdauer ist ganz okay. Seitdem habe ich mehrere Ultramarathons gemacht und wie das so ist ein paar gefinisht und ein paar nicht. Der längste war 700 km, dafür habe ich 45 Stunden gebraucht.

Wieso bist du dann auf Gravel umgestiegen?

Ich liebe mein Rennrad, aber das kann man halt nur auf der Straße fahren und ich wollte gerne ein paar neue Dinge ausprobieren. Ich mag die Sitzposition auf einem Rennrad und deswegen ist ein Gravelbike eine gute Lösung für mich. Es ist recht schnell auf der Straße, ich kann damit aber auch ein bisschen im Gelände spielen.

Bikepacking Neuseeland Kona Rove
Die Vordertaschen sind mit Bändern an der Gabel befestigt, die Satteltasche musste Asia mit einem extra Träger am Sattel festmachen. Der Crown Range Summit war mit 1076 Metern der höchste Punkt der Reise.

Hast du dir das Gravelbike speziell für den Trip nach Neuseeland gekauft?

Ich wollte das Rad vor meinem nächsten Trip haben, auf dem ich etwas leichter als früher unterwegs sein wollte. In den letzten Jahren habe ich schon viele klassische Radreisen auf Trekkingrädern mit normalen Fahrradtaschen gemacht. Ich habe also nach Lösungen dafür gesucht und bin am Ende bei einem Gravelbike mit Bikepackingtaschen rausgekommen. Jetzt bin ich davon ziemlich überzeugt, und das Setup ist auch super, wenn ich mich verfahre und das Rad über einen Zaun heben muss. Das passiert mir leider recht oft, genau wie unfreiwillige Schiebepassagen.

Wie bist du denn auf Neuseeland gekommen?

Die Idee war schon immer da und ich hatte letztes Jahr genug Selbstsicherheit aufgebaut, so weit alleine Rad zu fahren, also war das genau die richtige Zeit.

Bikepacking Neuseeland
Ein ganz normaler Ausblick, den man jeden Tag zu sehen bekommt

Warst du denn von Anfang sicher, dass du alleine fahren möchtest?

Ja, absolut. Neuseeland ist relativ sicher und natürlich bist du vor solchen Reisen immer ein bisschen nervös, aber ich war mir sicher, dass ich das alleine schaffe und dabei Spaß haben kann. Das ist meine Art, meine Akkus wider aufzuladen, ein harter Reset, wenn man so möchte. Ich bin auf solchen Reisen völlig auf mich alleine gestellt, was zwar anstrengend ist, aber das Leben auch einfacher macht. Es geht jeden Tag darum, wo ich hinfahre, was ich esse und wo ich schlafe. Sehr erfrischend!

Bikepacking Neuseeland
Es war nicht alles eitel Sonnenschein – an diesem Tag regnete es ohne Pause

Wie hast du dich denn vorbereitet?

So eine Reise besteht für mich nicht nur daraus, tatsächlich vor Ort auf dem Rad zu sitzen. Der erste Teil der Reise ist die ganze Planung mit deinen Erwartungen, der zweite Teil ist die Vorbereitung des Equipments und erst dann geht irgendwann die Reise vor Ort los. Natürlich habe ich viel gelesen, Videos geschaut und mich ziemlich viel mit Karten beschäftigt, um die Route festzulegen. Ich habe mich auch auf die Reise eingestimmt, indem ich meinen Lieblingsfilm „Das Piano“ noch einmal angesehen und Maori-Legenden gelesen habe.

Mein Equipment musste ich von Grund auf zusammenstellen, weil ich gerade erst auf das Bikepackingsetup umgestiegen war. Da musste ich viele kreative Lösungen finden, weil ich recht klein bin und an meinem kleinen Rahmen wenig Platz ist. Ich konnte zum Beispiel keine normale Bikepackingtasche an der Sattelstütze befestigen, weil da zu wenig Platz zum Reifen ist. Ich habe viel in Facebook-Gruppen für Frauen auf Fahrrädern rumgefragt, was man da machen kann. Am Ende habe ich für alles Lösungen gefunden, für die Satteltasche, die Lenkertasche für meinen schmalen Lenker und auch für die Gabel, die keine Ösen für Gepäck hat. Das war schon die erste kleine Reise.

Bikepacking Neuseeland
Das wahrscheinlich älteste Hotel in Neuseeland

Dann lass uns doch jetzt mal über die tatsächliche Reise sprechen. Welche Route hattest du geplant?

Ich wollte von Auckland nach Queenstown fahren, also im Prinzip einmal vom Norden der Nordinsel in den Süden der Südinsel. Natürlich wollte ich auf dem Weg unglaublich viele Sachen ansehen und wenn ich wirklich überall hingefahren wäre, hätte ich 4000 km in etwas mehr als einem Monat fahren müssen. Das war also nicht wirklich realistisch, ich musste mir also eine machbare Route bauen. Normalerweise ist es mir sehr wichtig, Strecke zu machen. Keine Ahnung, was da in meinem Kopf vor sich geht, aber ich sammle gerne Kilometer und sehe sehr gerne, wenn am Ende einer Tour auf meinem Radcomputer eine beeindruckende Zahl steht. Dieses Mal bin ich es aber ruhig angegangen und habe mir Zeit genommen. Das ist auch mal ganz nett! Mir war wirklich wichtig, nicht nur auf asphaltierten Straßen zu fahren, sondern auch die Great Rides zu fahren. Zum Wandern gibt es die etablierten „Great Walks“, aber Neuseeland gibt sich echt Mühe und baut immer mehr Great Rides für Fahrräder. Das sind in der Regel Gravelrouten mitten in der Natur ohne jede Form von Autoverkehr.

Dafür, dass du es ruhig angehen lassen wolltest, bist du dann aber doch recht weit gefahren.

Ich habe rund 1400 km gemacht, was definitiv nicht mein Rekord ist, aber es war okay.

Bikepacking Neuseeland Campingplatz
Zelten am Queen Charlotte Track: Schöner werden Campingplätze nicht

Wie hast du die Übernachtungen geregelt?

Ich habe fast immer im Zelt geschlafen. Wildes Campen ist in Neuseeland sehr streng reglementiert, aber es gibt eine Menge Campingplätze, die vom Naturschutzministerium verwaltet werden. Die sind sehr billig, aber je billiger der Campingplatz, desto schöner die Aussicht, wie ich gelernt habe. Ein paarmal habe ich im Hostel geschlafen und einmal einen Schlafplatz bei einer Familie über warmshowers.org bekommen.

Was war dein bester Tag dort?

Das ist furchtbar schwer zu sagen, weil alles neu war und die Natur überall wirklich atemberaubend. Ich fand aber den Queen Charlotte Track super, auch wenn ich da praktisch nicht Rad fahren konnte. Der beste Tag war aber wohl der West Coast Wilderness Trail, der sich vor allem an der Küste der Südinsel entlangschlängelt, aber auch immer wieder ins Hinterland abbiegt. Das waren superschöne Aussichten und ich habe da endlich das Gefühl gehabt, wieder fit zu werden, knapp drei Wochen nach meiner Ankunft. Es ist ein gutes Gefühl, schnelle 80 Kilometer an einem Tag auf Gravelstraßen zu fahren und zu spüren, dass die Fitness wieder da ist. Der „Te Ara Ahi – Thermal by Bike“ Trail war auch super, der geht durch die Vulkanlandschaften auf der Nordinsel. Ich habe mich am Ende des Trails selbst belohnt und eine Nacht im Waikite Valley verbracht, wo ich in den heißen Quellen relaxt habe.

Bikepacking Neuseeland Thermalquellen
Die Thermalquellen im Waikite Valley sind mit einem schmalen Trail verbunden

Es liegt jetzt nicht unbedingt nahe, dass du einen Tag als deinen besten Tag erwähnst, wo du nicht Fahrrad fahren konntest. Was war da auf dem Queen Charlotte Track los?

Das war einer meiner ersten Tage auf der Südinsel. Ich war gerade mit der Fähre angekommen und hatte befürchtet, die Hauptstraße zum Trail nehmen zu müssen, aber es gab einen wunderbaren Fahrradweg direkt zum Trail. Ich war also recht optimistisch, weil der Weg zum Trail so einfach war, aber die ersten zehn Kilometer des Queen Charlotte Tracks waren dann doch etwas anders. Ich konnte zwar fahren, musste aber auch hin und wieder schieben. So hätte das gerne weitergehen können, aber mir kam dann jemand auf einem Fully entgegen und der meinte schon, dass es für mich noch interessant wird. An dem Punkt hätte ich vielleicht noch mal nachdenken sollen, aber ich wollte unbedingt diesen Trail fahren, weil er superschön war und außerdem der älteste Trail in Neuseeland. Es wurde dann recht schnell für ein Gravelbike unfahrbar, weil es zu steil wurde und so viele größere Steine herumlagen, dass es sogar schwierig wurde, zu laufen.

Wieso bist du dann nicht umgekehrt?

Ich fand das in Ordnung so. Natürlich war es hart, aber da sind auch viele Leute mit Rucksäcken gewandert und für mich war es einfacher. Ich musste mein Gepäck ja nicht tragen, weil es am Rad befestigt war. Außerdem war ich in diesem Moment wirklich dankbar dafür, dass ich bei meinem Gepäck auf jedes Gramm geachtet habe. An dem Tag habe ich ungefähr 20 Kilometer geschafft, aber das hat sich total gelohnt. Es hätte immer wieder Wege gegeben, mit denen ich auf die asphaltierte Straße hätte wechseln können, aber auf der Straße zu fahren war ja nicht das Ziel … Den Weg zurück bin ich aber auf der Straße gefahren.

Bikepacking Neuseeland Schotterstraße
Irgendwo auf dem West Coast Wilderness Trail auf der Südinsel – so sahen tatsächlich die meisten der Trails aus

 

Was war für dich der größte Unterschied zu deinen klassischen Radreisen?

Das leichte Rad. Es fühlt sich viel besser an als mit vollgepackten Fahrradtaschen. Es war aber nicht nur das leichtere Rad, sondern auch mein superleichtes Equipment. Mein Zelt zum Beispiel, mein kleiner Kocher … Nur zum Vergleich: Mein Tourenrad hat ca. 100 Liter Platz in den Taschen, mein Bikepackingrad nur 30 Liter – das ist wirklich ein riesiger Unterschied. Ich hatte mir wirklich Gedanken gemacht, wie ich Gewicht sparen kann, ohne auf Komfort zu verzichten. Zum Beispiel meine Sandalen, die ich in der Dusche anziehen konnte, mit denen ich aber auch in der Stadt rumlaufen konnte. Ich habe auch einen sehr leichten Schlafsack mitgenommen, der aber leider nicht warm genug war. Um drinnen zu schlafen, hat der gereicht, aber nachts waren es im Zelt teilweise nur acht Grad. Für den habe ich also ein superleichtes Insert gekauft und zusammen mit dem Schlafsack war es dann auch im Zelt warm genug. Ich hatte auch ein T-Shirt und Leggins aus Merinowolle, die man echt nicht so oft waschen muss. Man muss sich ein wenig an den hygienischen Aspekt solcher Radreisen gewöhnen und natürlich habe ich mich über jede warme Dusche gefreut. Aber zumindest für meine Mitmenschen war das so netter.

Dieses Interview wird am Internationalen Frauentag veröffentlicht – hast du irgendwelche Tipps für andere Frauen, die auch mal so einen Trip unternehmen möchten?

Fang mit kleinen Schritten an. Jeder Schritt, auch der kleinste, macht Spaß. Kauf nicht direkt das beste Equipment – deine Ausrüstung sollte mit dir wachsen. Je mehr Erfahrung du hast, desto besser kannst du einschätzen, was du wirklich brauchst. Flieg besser nicht direkt ans andere Ende der Welt, weil danach vielleicht andere Ziele in deiner Nähe nicht mehr so attraktiv sind.  Es gibt jede Menge Communities online, wo du keine Angst haben musst, Fragen zu stellen. Also frag ruhig, hab keine Angst und zieh es einfach durch!