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Ein Radjournal von Brügelmann

Orbea Orca OMX 2020 Rennrad

Beratung: Einstiegsmodell vs. Spitzenmodell – Was macht den Preisunterschied?

Beratung: Einstiegsmodell vs. Spitzenmodell – Was macht den Preisunterschied?

Brügelmann Blog 5. November 2020 7 min.

Für Fahrräder kann man richtig viel Geld ausgeben. Manchmal so viel, dass man für denselben Preis locker einen guten Gebrauchtwagen bekommen kann. Das muss man aber nicht. Auch am anderen Ende des Spektrums kann man fündig werden. Für wenig Geld bekommt man so viel Fahrrad wie noch nie. Was sind nun aber die Unterschiede und wie viel „musst“ du für ein Fahrrad ausgeben?

Wenn wir manchmal mit Personen außerhalb des Fahrraduniversums darüber reden, wie viel Geld wir gerade für unser neuestes Bike auf den Tisch gelegt haben, dann ernten wir in 99 Prozent der Fälle fragende Blicke bis hin zu verzweifeltem Kopfschütteln. Ähnlich ist es, wenn wir Fotos von unserem neu erstandenen Laufradsatz zeigen und den Preis nicht verschweigen wollen/können. Erschrocken blicken sich die Zuhörenden um, wenn sie realisieren, dass die Summe kein Witz war. Gewissermaßen gilt es dann zu betonen, dass dies eben unsere Leidenschaft ist. Gleich anschließend betonen wir, dass man auch nicht unbedingt so viel Geld für Fahrräder und gutes Equipment ausgeben muss. Was dann aber wiederum die Frage aufwirft: Was muss man mindestens investieren? Und noch viel wichtiger: Wie viel mehr Performance bekommt man für mehr Geld?

Orbea Avant 2021 Rennrad
Orbeas neues Avant bietet im Einstiegsbereich diverse Features, die man sonst nur von deutlich teureren Rädern gewohnt ist

Orbeas neues Avant – Einstiegsmodell mit dem gewissen Etwas

Die Basics

Bevor wir konkreter werden und tiefer gehen, gilt es ein paar Vorüberlegungen zu treffen. Die wichtigste aller Fragen ist: Was willst du mit dem Rad eigentlich anfangen. Soll es nur ein- zweimal die Woche eine kleine Feierabendrunde geben, vielleicht über flaches Terrain? Oder planst du, dich zukünftig an Jedermannrennen zu beteiligen? Steht vielleicht ein Alpencross an, oder planst du, demnächst regelmäßig mit dem neuen Rad zu pendeln? Das ist der erste wichtige Pfeiler in der Frage danach, wie viel Geld du für ein neues Rad in die Hand nehmen solltest. Je mehr das Rad im Einsatz sein soll, desto teurer sollte es sein. Wer nur zu Fitness-Zwecken wenige Male die Woche auf sein Rad steigt, braucht mit Sicherheit keine ultraleichten Laufräder, High-End-Schaltkomponenten oder den besten Dämpfer am Rad. Wenn du aber ambitionierter an die Sache herangehst und auf jeden Fall auch längere Zeit mit dem Rad fahren möchtest, dann kann dies absolut sinnvoll sein.

Orbea Orca OMX 2020 Rennrad
An sämtlichen Orbea Orca OMX Modellen findest du ausschließlich feinstes Material verbaut

Material

Rahmen

Nun werden wir aber mal konkreter: Das teuerste Teil am Rad ist in den meisten Fällen der Rahmen in Kombination mit der Gabel. Zum größten Teil habt ihr die Wahl zwischen Carbon und Aluminium. Rennräder werden zum Teil auch noch aus Stahl gefertigt. Eins sollte klar sein: Alu ist nicht gleich Carbon und Stahl nicht gleich Stahl. Die Materialien im letzten Satz könnt ihr beliebig vertauschen. Damit soll deutlich gemacht werden, dass die verschiedenen Rahmenmaterialien sich deutlich voneinander unterscheiden. Aber gleichzeitig können sich auch zwei Carbonrahmen deutlich untereinander unterscheiden. Ein teurer Rahmen aus Aluminium kann hinsichtlich des Fahrgefühls wesentlich besser sein als ein preiswerterer aus Carbon. Gleiches gilt für Stahl. Allein das Material sagt also noch nicht alles über die Eigenschaften eines Rahmens, obwohl du davon ausgehen kannst, dass in der Regel Carbonrahmen die leichtesten sind und Stahlrahmen die schwersten.

Orbea Avant 2021 Rennrad Sattelrohr
Fette Schweißnähte am Avant machen klar: Dieser Rahmen ist aus Aluminium

Schaltgruppen

Bei den Schaltgruppen sieht die Sache hingegen klarer aus. Während es bei den Rahmen ein wildes Durcheinander von Marken und Materialien gibt, ist es bei den Schaltgruppen besser geordnet. Exakt drei Hersteller decken fast den gesamten Markt an Schaltgruppen ab, nämlich Shimano, SRAM und Campagnolo. Jeder der Hersteller hat eine klare Hierarchie seiner einzelnen Gruppen. Die Grundregel lautet: Je weiter oben die Schaltungen in dieser Rangfolge stehen, desto besser sind sie. Besser bezieht sich hier auf die Schaltperformance, das Gewicht und die Optik (wobei dies natürlich Geschmackssache ist). Hinzu kommt, dass die obersten und damit teuren Gruppen zum Teil elektrisch, also ohne Seilzug, funktionieren.

Orbea Orca OMX 2020 Rennrad Hinterbau
Am Orca wird elektrisch geschaltet und hydraulisch gebremst – Standard an High-End-Rädern im Jahr 2020

Anbauteile

Zu guter Letzt sind an einem Fahrrad natürlich auch noch einige Anbauteile von der Sattelstütze über Vorbau, Lenker und Laufrädern bis hin zu Kleinteilen wie Sattelklemme, Lenkerband und Flaschenhalter verbaut. Für all diese Teile gilt: Sie müssen optisch zum Rest des Fahrrads passen und ihren Zweck erfüllen. Die Bandbreite an Möglichkeiten ist fast grenzenlos. Wer will, kann für einen Flaschenhalter so viel Geld ausgeben, dass damit eine vierköpfige Familie eine Woche satt werden würde. Es ist allen selbst überlassen, welche Summe sie für ein bestimmtes Teil bereit sind zu zahlen. Wir haben zwei Empfehlungen für euch: Qualität hat ihren Preis und Gewicht ist überbewertet. Sicher musst du als Freizeitfahrer*in nicht die High-End-Gruppe für über 2000 Euro am Rad haben. Wenn du aber willst, dann kann du das natürlich auch einfach machen!

Orbea Orca OMX 2020 Rennrad Vorbau
Den Vorbau, der Züge und Leitungen gut versteckt, findest du bei Orbea quer durch das gesamte Preisspektrum

Orbeas Orca – Nur vom Feinsten!

Der Vergleich: Günstig vs. High-End

Um endlich mal ganz konkret zu werden, wollen wir einfach mal zwei Modelle vergleichen, um dir zu zeigen, was du für mehr Geld mehr bekommst. Wir haben uns dafür bei Orbea umgeschaut. Einmal das Orbea Avant H60-D für preisbewusste Fahrer*innen und dann das Oberklasserad Orca M10i LTD. Das Orca kommt als aggressives (aber durchaus vielseitiges, wie wir bereits festgestellt hatten) Racebike daher, während sich das Avant mit seiner Komfortgeometrie an ein breiteres Publikum wendet. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass das Orca mit hydraulischen Scheibenbremsen ausgestattet ist, während das Avant nur mit einer mechanischen Scheibenbremse daherkommt. Wer möchte, bekommt das Avant auch noch mit Felgenbremsen, aber inzwischen haben sich auch im Einstiegssegment Scheibenbremsen weitgehend durchgesetzt. Der Unterschied zwischen der elektronischen Schaltung am Orca und der mechanischen am Avant fällt rein optisch nicht auf, denn beide Räder nutzen sehr ähnliche Systeme zur internen Zug- und Kabelverlegung.

Wenn man die beiden Räder nacheinander hochheben würde, dann ist auch relativ schnell zu erkennen, welches der beiden Modelle das deutlich teurere ist. Die beiden Exemplare trennen fast zwei Kilogramm. Das klingt erstmal gar nicht so viel, vor allem wenn man das Systemgewicht betrachtet, also Fahrrad plus Mensch und allen anderen Teilen wie Wasserflaschen, Werkzeug etc. Doch man muss ehrlich sagen: Beim Fahren merkst du den Gewichtsunterschied erheblich. Besonders, wenn du dich an Steigungen abrackerst oder mal einen kurzen Sprint einlegst, spürst du das Mehr oder Weniger. Unter anderem liegt das höhere Gewicht des Avant am Rahmen aus Aluminium. Beim Orca M10i sind der Rahmen und auch andere Teile, wie die Laufräder und die Sattelstütze, aus Carbon und deswegen leichter. Der Carbonrahmen ist aber nicht nur leichter, sondern lässt sich auch in besondere aerodynamische Formen bringen. Außerdem schluckt das Material Straßenunebenheiten deutlich besser als das für seine Unnachgiebigkeit berühmte Aluminium.

Orbea Orca OMX 2020 Rennrad
Löchriger Asphalt verliert mit einem gut konstruierten Carbonrahmen seinen Schrecken

Wirft man einen Blick auf die Schaltgruppen, dann fällt auch da neben der Unterscheidung elektronisch vs. mechanisch ein großer Unterschied auf. Am Orca stehen dir 22 Gänge zur Verfügung. Hingegen sind es beim günstigeren Avant mit Shimano Claris Schaltgruppe lediglich 16 (zwei mal acht). Das ist auf dem Papier ein Nachteil, denn so sind die Sprünge zwischen den Gängen am günstigeren Rad größer. Bei genauerem Hinsehen steht das Avant in einer entscheidenden Eigenschaft allerdings besser da. Der leichteste Gang ist mit 34-32 deutlich leichter übersetzt als am Orca, das hinten nur ein 28 Zähne großes Ritzel aufbieten kann.

Das Orca mit der elektrischen Schaltgruppe bietet dafür aber eine spürbar bessere Schaltperformance. Ein leichtes Antippen des Schalthebels genügt bei der elektrischen Shimano Dura-Ace Di2, um den Gang zu wechseln. Im Gegensatz dazu musst du den Bowdenzug der klassischen Schaltung händisch durch den Schalthebel ziehen. Das ist vor allem dann mühsamer, wenn bei schlechtem Wetter Wasser und Dreck in den Zug eindringen. Aber auch unter Last, also etwa am Berg, lässt es sich mit der elektronischen Schaltung um einiges besser hantieren. Nicht zuletzt sind die verarbeiteten Materialien der Shimano Dura-Ace deutlich hochwertiger und leichter.

Wer mehr für ein Fahrrad bezahlt, bekommt in der Regel auch einiges mehr für sein Geld: Geringeres Gewicht, bessere Performance, mehr Komfort und langlebigere Komponenten. Ob du bereit bist, dafür tiefer in die eigene Tasche zu greifen, ist am Ende von deinem Budget und dem Nutzungsverhalten abhängig. Zwei Faustregeln, die wir dir mitgeben können: Je mehr du Fahrrad fährst, desto mehr Sinn ergeben teure Räder und Teile. Selbst für ein Einsteigerrad solltest du dennoch ein gewisses Budget einplanen. Die „logische“ Schlussfolgerung könnte also heißen: Wer sich ein teures Fahrrad kauft, wird automatisch mehr Radfahren.