Seit dem Fixie-Boom wissen viele, was ein Bahnrad ist. Der eigentliche Bahnradsport ist aber immer noch ein Rätsel, dabei reichen die Wurzeln dieser traditionsreichen Disziplin weit zurück. Wir erklären, was das Faszinierende am Bahnradsport ist, warum du es auch mal ausprobieren solltest und welche Regeln beziehungsweise Modi es genau gibt.
Das Velodrom
Radrennbahnen (oder „Velodrome“) lassen sich in Deutschland nicht ganz so einfach finden. Eine gute Übersicht über alle existierenden Radrennbahnen in Deutschland und einigen Nachbarländern bietet klassik-rennrad.de. Die Frage nach der Nutzung kann dir allerdings nur die jeweilige Anlage selbst beantworten. Manche sind regelmäßig für Vereinsmitglieder oder auch zum freien Training für alle und meist gegen einen kleinen Obolus geöffnet. Viele Radbahnen liegen im Dornröschenschlaf und warten auf dringend notwendige Sanierungsarbeiten. Andere wiederum öffnen nur sporadisch oder für jährlich stattfindende Events ihre Pforten.
Ab ins Wasser!
Du bist jetzt ein wenig abgeschreckt? Dazu gibt es überhaupt keinen Grund. „Wenn man ins Wasser kommt, lernt man das Schwimmen“ hat schon der alte Goethe gesagt. Und genau so ist es auch beim Bahnradfahren. Also rauf auf die Bahn und einfach mal ausprobieren. Verschiedene Vereine und Radbahnen bieten Schnupperkurse an. Dort kannst du dir Bahnräder ausleihen (normale Rennräder mit Schaltung und Bremsen sind oft aus Sicherheitsgründen verboten) und dann allein oder mit ein paar Freunden einfach mal machen. Besonders im Winter ist das ein super Training, da die meisten Bahnen überdacht sind.
Bahnrad-Disziplinen
Wenn ihr dann erstmal auf der Bahn seid, versteht ihr vermutlich auch die unterschiedlichen Wettkampf-Modi ganz einfach. Die Grunddisziplinen im Bahnsport werden generell unterschieden in Ausdauer- und Sprintrennen. Daneben gibt es eine Kategorisierung in Einzel- und Teamwettkämpfe. Je nach Disziplin starten die Teilnehmer*innen auf gegenüberliegenden Bahnseiten, zusammen auf einer Linie (oft werden sie dabei gehalten) oder als Massenstart. Bei einem gemeinsamen Start an einer Linie wird außerdem bei manchen Disziplinen ein Derny (ein spezielles Motorrad) eingesetzt, dem die Fahrer*innen hinterherfahren.
Eigentlich ganz einfach oder? Um aber mal ganz konkret zu werden gibt es hier eine Liste mit den üblichen Wettkampfformen mit einer kurzen Erläuterung.
Sprint
Der Sprint ist das kürzeste und explosivste Bahnrennen und geht über drei Runden. Zwei Fahrer*innen starten auf gleicher Höhe, wer zuerst die Zielline überquert, gewinnt. Der Rennbeginn verläuft oft sehr taktisch bis zum völligen Stillstand der Fahrer*innen, bevor es dann sehr plötzlich zur Sache geht.
Olympischer Sprint
Der olympische Sprint ist eine sehr kurze Variante der Mannschaftsverfolgung mit etwas abgeänderten Regeln. Zwei Teams treten gleichzeitig auf gegenüberliegenden Seiten der Bahn an. Die Teams bestehen aus drei Fahrern bzw. zwei Fahrerinnen, und versuchen, sich über den Verlauf des Rennens einzuholen. Der/die vorne fahrende Athlet*in scheidet nach jeweils einer Runde aus.
Zeitfahren
Hier gilt es, alleine eine Strecke (in der Regel 1000 Meter für Männer und 500 Meter bei den Frauen) so schnell wie möglich bewältigen. Das Zeitfahren wird nicht zu den Sprintrennen gezählt, weil man alleine an den Start geht und nach einem explosiven Start die Leistung noch über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten muss.
Verfolgung
Die Verfolgung geht über eine Renndistanz von vier Kilometern bei den Männern bzw. drei Kilometern bei den Frauen. Zwei Fahrer*innen starten auf gegenüberliegenden Seiten der Bahn und versuchen sich einzuholen. Wenn sie das geschafft haben, ist das Rennen beendet, ansonsten zählt die schnellere Zeit.
Mannschaftsverfolgung
Die Mannschaftsverfolgung ist rein optisch wahrscheinlich die spektakulärste Disziplin. Sie gehorcht den gleichen Regeln wie die Verfolgung, wird aber als Team mit vier Fahrer*innen und sowohl bei den Männern als auch den Frauen über vier Kilometer ausgetragen. Die besten drei Fahrer*innen werden gewertet.
Punktefahren
Das Punktefahren wird als Massenstart über 30 km ausgetragen. Alle zehn Runden kann man Punkte bei Zwischensprints sammeln. Weniger sprintstarke Fahrer*innen können auch Punkte sammeln, indem sie das Feld überrunden. Der/die Fahrer*in mit den meisten Punkten im Ziel gewinnt.
Keirin
Auch der Keirin ist ein Massenstart. Ein immer schneller werdendes Motorrad (das Derny) führt das Feld an und beschleunigt in den ersten Runden von 30 km/h auf 50 km/h, bevor es drei Runden vor Rennende die Bahn verlässt. Dann wird um den Sieg gesprintet.
Madison
Im Madison treten Teams aus zwei Fahrer*innen an. Es handelt sich hier um eine Variante des Punktefahrens, bei der immer nur ein*e Fahrer*in pro Team auf der Bahn ist. Beim Wechsel geben sich die Teamkolleg*innen noch per Schleudergriff Schwung mit – ein gefährliches Manöver, für das man viel Radkontrolle benötigt.
Alles in allem ist Bahnradfahren also nicht „ein“ Sport, sondern es gibt viele verschiedene Disziplinen und Anforderung, je nach Wettkampfmodus.
Wo, wann und warum
Wer richtig verstehen möchte, was Bahnradfahren ist, worum es da geht und wie faszinierend dieser Sport tatsächlich sein kann, dem legen wir folgende Dinge ans Herz:
1. Sich mal ein paar YouTube-Videos ansehen
Besonders das Video „Robert Förstermann macht sich ein Toastbrot“ können wir empfehlen. Aber natürlich gibt es unzählige weitere spannende Videos. Vorsicht: Absoluter Suchtfaktor!
2. Einen Weltcup schauen
Die Weltcupsaison hat gerade angefangen und dieses Wochenende steht der Stopp in Glasgow an. Weil es langsam auch schon darum geht, Punkte für die Weltrangliste einzufahren, um in Tokyo bei den Olympischen Spielen am Start zu sein, geht es dort richtig zur Sache. Außerdem machen ein paar frische Namen gerade mächtig Dampf auf der Bahn. Chloe Dygert-Owen, die amtierende Zeitfahrweltmeisterin auf der Straße, hat letztes Jahr bereits den Weltrekord in der Verfolgung um über zwei Sekunden verbessert. Ashton Lambie sowie Filippo Ganna haben dieses Jahr bei den Männern das Kunststück geschafft, jeweils zwei Mal an einem Tag einen neuen Weltrekord aufzustellen.
Die Youtubestreams des Weltcups sind in Deutschland leider aufgrund von Geoblocking nicht zu sehen. Auf Eurosport wird aber immerhin der Eröffnungsabend am Freitag übertragen (8.11. ab 19.55 Uhr).
3. Selbst mal auf einer Bahn fahren
Denn nichts steckt so sehr an, wie diese Sportart selber auszuprobieren. Besonders im Herbst und Winter bietet es sich an, selbst auf die Bahn zu gehen. Egal ob ihr nur mal kurz reinschnuppern möchtet, oder sogar plant, an Wettkämpfen teilzunehmen: Ausprobieren lohnt sich!
4. Einfach mal live auf einem Rennen vor Ort sein
Es gibt verschiedene große und kleine Events, bei denen man in Deutschland und den Nachbarländern dabei sein kann. Wenn du allerdings DIE Bahnradveranstaltung schlechthin besuchen möchtest, dann musst du zum Sechstagerennen“, zum Beispiel nach Berlin. Diese Veranstaltung bietet den Besuchern wirklich ein umfangreiches Bahnradsport-Programm vor einer genialen Kulisse. Ein anderes Sechstagerennen findet in Bremen statt.
Bahnradsport ist nicht selbsterklärend und du benötigst dafür ein spezielles Rad. Aber dafür erhält man auch Einblicke in eine unglaublich spannende Welt. In kaum einer anderen Disziplin des Radsports macht das Selberfahren so viel Spaß wie das Zusehen. Inzwischen erleben wir sogar, wie sich Leute aus der Fixieszene, deren Räder bisher eher Lifestyleobjekte waren, wieder dem klassischen Bahnradsport zuwenden. Also probier es einfach mal aus – jetzt beginnt die perfekte Jahreszeit dafür!