Runde Rohre, ein horizontales Oberrohr, leicht und steif: So sah für lange Zeit das Erfolgsrezept für fast alle Rennräder aus. Seitdem Cannondale das SuperSix EVO II zu Grabe getragen hat, ist diese Ära endgültig vorbei. Inzwischen dominiert ein neuer Look, den man vor allem an drei Eigenschaften festmachen kann: Abgesenkte Sattelstreben, Scheibenbremsen und integrierte Kabelführung sorgen nicht nur für eine neue Optik, sondern auch ein neues Fahrgefühl. Diese Räder sind schneller, komfortabler und vielseitiger als alles, was bisher Rennrad genannt wurde. Grund genug, sich drei herausragende Vertreter dieser modernen Wettkampfräder etwas genauer anzusehen.
Cannondale SuperSix EVO 2020 – Eine Ära geht zu Ende
Allgemeines
Mit dem Cannondale SuperSix EVO II wurde die letzte Bastion der traditionellen Rahmenkonstruktion geschleift. Der Nachfolger liegt mit seiner Optik mitten im Zeitgeist und teilt sich diverse Features mit Cannondales Aeroschlachtschiff SystemSix. Es kann nicht schaden, sich ein paar Dinge von dessen Konstruktion abzuschauen, das Rad war letztes Jahr im Windkanal des Tour Magazins nämlich das schnellste jemals getestete Rad. Obwohl das neue SuperSix aerodynamischer ist als sein Vorgänger, ist das Gewicht von Rahmen und Gabel gleich geblieben. 866 Gramm für einen lackierten Rahmen in Größe 56 können sich wahrlich sehen lassen.
Geometrie
Wie bei vielen anderen Herstellern werden auch bei Cannondale die Rahmen entschärft. Ein etwas kürzerer Reach und ein leicht erhöhter Stack sorgen für eine entspanntere Sitzposition. Wobei „Entspannung“ hier relativ zu verstehen ist, denn mit geslammten Vorbau geht dieses Rad immer noch ohne Diskussionen zur Attacke über. Als Kriterienkiller wie seine Vorgänger geht es allerdings nicht mehr durch. Extrem aggressive Sitzpositionen lassen sich nur noch mit kleineren Rahmen und langen Vorbauten realisieren. Dafür profitiert die breite Masse aller Radsportler*innen.
Zusammenfassung
Das Cannondale SuperSix hat sich von einem Rad mit recht engem Fokus aufs Hochgebirge und Kriterien zu einem sportlichen Alleskönner entwickelt. Da beim Vorgänger Aerodynamik recht weit unten auf der Prioritätenliste stand, sind hier satte Einsparungen zu verzeichnen. Dazu kommen drastisch erhöhter Komfort durch die neue Sattelstütze und erhöhte Reifenfreiheit. In der Summe ist das neue SuperSix ein Allrounder, der nicht nur auf einstündigen Rundstreckenrennen oder im Zielanstieg nach Alpe d’Huez brilliert. Inzwischen durchaus erwähnenswert: Es werden auch noch Modelle mit Felgenbremse angeboten.
Orbea Orca OMX – Zwischen allen Stühlen
Allgemeines
Das Orbea Orca hat eine glorreiche Tradition als das Rad der baskischen Kletterspezialisten des Teams Euskadi Euskaltel. Mit der Neuvorstellung des Orca Aero im Jahr 2017 hatte Orbea zwei grundverschiedene Orcas im Programm, die im Hochgebirge oder Flachland brillierten. Kompromisse dazwischen? Gab es nicht. Das neue Orbea OMX ist eine Mischung aus beiden, die es schafft, mehr als nur ein Kletterrad mit aerodynamischen Features zu sein. Genau wie Cannondale stand bei der Entwicklung eine aerodynamische Verbesserung des Kletterrads bei gleichbleibendem Gewicht auf der Agenda. Das Projekt kann man als gelungen bezeichnen: Mit 833 Gramm für einen lackierten Disc-Rahmen in Größe M darf man ruhig angeben.
Geometrie
Die Geometrie des OMX ist bis auf die Nachkommastellen exakt wie die des normalen Orcas. Lediglich die Kettenstreben sind noch etwas verkürzt worden. Ein langes Oberrohr, kurzes Steuerrohr und steiler Lenkwinkel sorgen für eine gestreckte Haltung und flotte Reaktionen auf Lenkimpulse. Das Orca ist auch in der OMX-Version kein gemütlicher Kilometerfresser, sondern Wettkampfrennrad durch und durch.
Zusammenfassung
Das Orbea Orca OMX setzt sich fröhlich zwischen alle Stühle und verwischt die Grenzen zwischen Aero-, Komfort- und Wettkampfrädern. Tatsächlich stellt sich die Frage, wieso man (außer für das Aussehen natürlich) überhaupt noch zum parallel weiter angebotenen Orca OMR greifen sollte. Das OMX ist genau so leicht und dabei aerodynamischer. Dank Platz für 32 Millimeter breite Reifen ist es außerdem unerhört vielseitig.
Focus Izalco Max Disc – Klassiker im Aero-Gewand
Allgemeines
Das Focus Izalco war eins der leichtesten Serienräder der Welt – in diesem Bereich kann das neue Izalco Max Disc nicht mehr mitspielen. Tragfächenprofile wiegen halt etwas mehr, machen das Rad aber auch schneller. 1,5 Minuten spart man auf einer Strecke von 50 Kilometern bei gleichbleibender Leistung von 200 Watt. Erfrischend zu sehen, dass Focus die Aero-Vorteile nicht (wie praktisch alle anderen Firmen) bei utopischen Geschwindigkeiten um die 50 km/h misst. 200 Watt über 50 Kilometer sind für ambitionierte Amateur*innen zu schaffen und dürften (je nach Gelände) einer Geschwindigkeit knapp unter 30 km/h entsprechen.
Geometrie
Selbst Rennräder mit ausgewiesener Wettkampfausrichtung sind in den letzten Jahren entspannter geworden. Nicht so bei Focus: Auch wenn sich das Izalco Max Disc von der allgemeinen Optik her nahtlos in unsere Übersicht einreiht, ist es im Vergleich zu den anderen Rädern hyperaggressiv. Trotz aerodynamischer Features ist das Izalco Max Disc weiterhin ein Rad für Menschen, die eine sehr niedrige, gestreckte Position bevorzugen.
Zusammenfassung
Das Focus Izalco Max verbindet eine strenge Geometrie mit aerodynamischer Integration für maximalen Speed. Die Rennambitionen werden mit den Ausstattungsvarianten noch unterstrichen, denn alle Räder kommen mit Hochprofillaufrädern aus Carbon. Das Izalco Max Disc 8.7 ist dabei ein wirkliches Schnäppchen: Zwar verzichten die Rahmen der 8er-Serie auf vollständig integrierte Kabel, aber 2999 € (UVP) für einen aerodynamischen Disc-Renner sind eine echte Kampfansage.
Obwohl diese drei Räder alle grob in die Kategorie der Wettkampfräder fallen und ähnlich aussehen, könnten sie das Genre nicht unterschiedlicher interpretieren. Fest steht jetzt schon: Sie sind schneller und komfortabler als alles, was es bisher gab. 2020 wird super, die Zukunft noch besser!